Marseille - Das südfranzösische Cadarache, das am Dienstag als Standort für den internationalen Atomfusions-Forschungsreaktor ITER ausgewählt wurde, gilt als Erdbeben-Risikogebiet. Die 1.600 Hektar der geplanten Atomanlage sind in einem Umkreis von zehn Kilometern von mindestens vier geologischen Falten umgeben. Der Boden sei "besonders instabil", sagt Jacques Muller, Geologe beim französischen Forschungsinstitut CNRS.

Etwa alle 100 Jahre sind in dem Gebiet schwere Beben zu befürchten. Das bisher letzte hatte 1909 eine Stärke von 6,2 auf der Richter-Skala erreicht und 49 Menschen getötet. "Wir befinden und also in einer Zeit der Turbulenzen", warnt der Geologe.

Strenge Bauauflagen

Seit 1981 verhängte die französische Atomaufsicht strenge Bauauflagen: Die seitdem errichteten Gebäude in Cadarache dürften nach Angaben des Fachmanns Pierre Mouroux Beben der Stärke 6,5 problemlos standhalten. Erst vor zwei Jahren war ein älteres Atom-Brennelementewerk in Cadarache stillgelegt worden; dies hatte das Betreiberunternehmen Cogema mit der Nähe zur Erdbebenspalte der Durance begründet.

Das Werk hatte seit 1962 Mischoxid-Brennelemente (MOX) unter anderem für deutsche Atomkraftwerke gefertigt. Die Cogema hatte eine Anpassung an die Erdbebenstandards für "nicht realisierbar" erklärt. Im Oktober vergangenen Jahres wurde die Fertigung in Cadarache doch noch einmal vorübergehend wieder aufgenommen, um waffenfähiges Plutonium aus den USA für eine zivile Nutzung aufzubereiten.

Auch in der übrigen Provence sind kleinere Beben an der Tagesordnung. Das Aufeinandertreffen der Eurasischen Platte und der Afrikanische Platte sorgt dort wie an den anderen Küsten des Mittelmeeres für rege geologische Aktivität. Eine EU-Studie listet die Provence unter den "langsam oder potenziell aktiven Zonen" auf, in denen es in der Vergangenheit heftige Erdbeben gegeben hat. (APA)