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Nun liegt es an Präsident Horst Köhler zu entscheiden, ob es vorgezogene Neuwahlen geben wird.

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Der Hauptdarsteller, Kanzler Gerhard Schröder, begibt sich um acht Uhr zunächst in die SPD-Fraktion, um die Genossen über sein Vorgehen zu informieren. Für die Grünen hat er hernach nur noch sieben Minuten Zeit, was deren Stimmung nicht gerade hebt.

Pünktlich um zehn Uhr eröffnet Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) die Sitzung, die nur einen einzigen Tagesordnungspunkt hat: Schröders Vertrauensfrage. Endlich begründet der deutsche Kanzler, warum er diese Legislaturperiode vorzeitig beenden möchte und Neuwahlen anstrebt.

Er nennt den "bitteren Ausgang der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen". Dieser sei "das letzte Glied in einer Kette zum Teil empfindlicher und schmerzhafter Wahlniederlagen" gewesen. Auch heute noch sei er von den Reformen überzeugt und wolle sie "mit all meiner Energie und mit ganzer Kraft" fortsetzen. Dafür sei aber "eine Legitimation durch Wahlen unverzichtbar".

Schröder spricht auch an, dass die Agenda 2010 zu Streit zwischen den Parteien und innerhalb der Parteien geführt hat. Er gibt zu: "Meine Partei hat darunter besonders gelitten." Man habe mit den permanenten Verlusten bei Landtagswahlen einen "hohen Preis" für die Reformpolitik bezahlt. Und nach dem Debakel von Nordrhein-Westfalen hätten SPD-Mitglieder damit gedroht, "sich einer rückwärts gewandten, linkspopulistischen Partei anzuschließen".

Er aber, der ohnehin nur eine knappe Mehrheit von drei Mandaten im Bundestag habe, brauche eine "solide Basis" und das "stetige Vertrauen" der Parlamentarier. Deshalb handle er nun wie Helmut Kohl im Jahr 1982. Auch der damalige Regierungschef habe nicht zurücktreten wollen, sondern eine Vertrauensfrage herbeigeführt – und das Verfassungsgericht habe dies nicht beanstandet.

Die SPD quittiert Schröders möglicherweise letzte Rede als Kanzler im Bundestag mit stehendem Applaus. Auch CDU-Chefin Angela Merkel zollt ihm Respekt für sein Vorgehen, geht aber politisch hart mit ihm ins Gericht: "Sie haben die sozialen Sicherungssysteme geplündert", sagt sie und verspricht für den Fall eines Regierungswechsels: "Politik aus einem Guss statt Zick- zackkurs."

Merkels Versprecher

Großes Gelächter erntet Merkel mit einem Versprecher. Rot-Grün könne nicht mehr regieren, die postkommunistische PDS dürfe nicht, sagt sie. Also müsse es nach der Wahl zu einer Regierung aus "CDU/CSU und SPD" kommen. Zwar korrigiert sich die CDU-Chefin sofort auf "CDU/CSU und FDP". Doch im Plenum ruft gleich jemand: "Also kommt doch eine große Koalition!"

Schröder sitzt die ganze Zeit angespannt auf seinem Platz. Erst als Außenminister Joschka Fischer in alter Stärke auf die Opposition eindrischt, kann er ein wenig lächeln.

SPD-Chef Franz Müntefering, der auch die Fraktion führt, appelliert in seiner Rede noch einmal an seine Abgeordneten, dem Kanzler das Vertrauen zu versagen, betont aber, dass Schröder das Vertrauen der Fraktion habe – und Merkel bei einem konstruktiven Misstrauensvotum gegen Schröder keine Mehrheit bekäme.

Heftiges Gedränge dann, als Thierse kurz vor zwölf Uhr Mittag zur Abstimmung aufruft. Schröder verliert die Vertrauensabstimmung deutlich. Alle 269 Nein-Stimmen kommen von der Opposition, 148 Mandatare von Rot-Grün enthalten sich wunschgemäß, 151 allerdings schenken ihm nach wie vor das Vertrauen.

Wenig später ist Schröder schon bei Bundespräsident Köhler und schlägt ihm vor, den Bundestag aufzulösen. (DER STANDARD, Printausgabe, 2./3.7.2005)