Staatssekretär Winkler hofft auf baldige Verhandlungen mit Kroatien und überlegt eine Balkankonferenz.

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Sich selbst sieht er als Politiker auf Zeit, sagt er zu Eva Linsinger und Christoph Prantner.

STANDARD: Was können Sie als Staatssekretär tun, was ein Beamter nicht machen kann? Winkler: Ich kann die Außenministerin vertreten und zwar in jenen Foren, wo Politiker gefragt sind. Im Parlament, im Europaparlament, bei EU-Institutionen. Die gesamte Tätigkeit der Ministerin steht mir auch zu, soweit die Ministerin das nicht selber macht.

STANDARD: Andererseits erklären Sie, dass Sie keine politische Linie zu haben haben. Das passt eher zu Diplomaten. Winkler: Überhaupt nicht. Ich bin Politiker und kein Beamter. Ich habe meine Auffassung einzubringen und werde das auch tun. Aber natürlich habe ich keine andere Linie als der Kanzler oder die Ministerin. Das kann es nicht sein.

STANDARD: Wenn Sie also eine politische Linie haben: Am 18. Juli fällt die Endentscheidung über Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Sind Sie dafür? Winkler: Die Meinung ist vorgegeben durch klare Gipfel-Beschlüsse. Im Oktober starten die Verhandlungen. Unter strengen Auflagen: Das gab es noch nie, dass man so viele Vorsichtsklauseln einbaut, dass bei jedem Schritt des Weges gestoppt werden kann. STANDARD: Wann beginnen die Verhandlungen mit Kroatien? Winkler: In dem Moment, wo die volle Kooperation mit dem Kriegsverbrechertribunal gegeben ist. Das Land ist bereit. Kroatien hat unendliche Fortschritte gemacht, wirtschaftlich und demokratiepolitisch. Das sollte man belohnen. Daher hoffe ich, dass die Verhandlungen bald beginnen.

STANDARD: Macht Österreich eine EU-Balkan-Konferenz? Winkler: Das ist nicht fix. Konferenzen gibt es nicht, damit es Konferenzen gibt. Eine Konferenz hat nur Sinn, wenn es alle wollen und Ergebnisse möglich sind. Andere Termine sind fix: Es gibt den Lateinamerikagipfel, zwei EU-Gipfel, 12 informelle Ministerräte, 40 Ratstagungen, 100 Sitzungen auf Beamtenebene, 2000 Expertentreffen in Brüssel.

STANDARD: Das Nachdenken über die Verfassung endet unter österreichischer Präsidentschaft. Was passiert dann? Winkler: Die Natur des Nachdenkens besteht ja darin, dass man zuerst nachdenken muss.

STANDARD: Wird Österreich eine Vordenkerrolle übernehmen? Winkler: Es ist einfach zu früh, Pakete auf den Tisch zu legen. STANDARD: Warum ist die EU so unbeliebt? Winkler: Die Frage beschäftigt mich schon lange. Für uns Experten ist ohne viel Erklärungen evident, wie viele Vorteile die europäische Integration bringt. Aber offensichtlich gelingt es uns nicht, die Vorteile so darzustellen, dass es die Leute verstehen. Aber natürlich muss man sich auch Fehlentwicklungen anschauen.

STANDARD: Welche? Winkler: Wir regeln auf EU-Ebene zu viel, das wir national regeln könnten. Dazu wird immer wieder diskutiert, ob manche Leute, die in der EU das Sagen haben, demokratisch legitimiert sind. Es wäre eine Utopie zu glauben, dass die Verfassung ideal ist. Das Ideale werden wir mit 450 Millionen Menschen und 25 Staaten nicht erreichen. Das wird immer ein Kompromiss bleiben. Aber die Verfassung brächte gerade im Demokratiebereich Fortschritte.

STANDARD: Sie reden fast wie von einer toten Verfassung. Winkler: Es wird wohl nicht möglich sein, dass sie wie vorgesehen in Kraft tritt. Ob diese Verfassung jemals so kommt, wissen wir nicht. Aber die Verfassung würde in vielerlei Hinsicht Vorteile bringen.

STANDARD: Wann wurden Sie zu Ihrem Karrieresprung gefragt? Winkler: Überlegungen gab es länger. Letztlich entschieden, dass es den Staatssekretär geben soll, hat sich die Ministerin offenbar vor einem Monat. STANDARD: Haben Sie lange nachgedacht? Winkler: Vielleicht zu kurz. (lacht) Ich habe spontan Ja gesagt und werde das sicher nicht bereuen.

STANDARD: Wie lange bleiben Sie Politiker? Winkler: Ich bin, wie ich heute erfahren habe, unter Entfall der Bezüge freigestellt. Also wann immer das zu Ende ist, werde ich wieder Beamter.

STANDARD: Und in die Völkerrechtsabteilung zurückkehren? Winkler: Nein, die Funktion wird neu besetzt, aber es gibt viele andere Positionen. Ich bin jetzt für eine bestimmte Aufgabe bestellt, auf die konzentriere ich mich. Alles andere ist mir eigentlich egal.

STANDARD: Keine Politkarriere? Winkler: Mit Sicherheit nicht. Ich war in meinem Leben nie Mitglied einer Partei, das soll so bleiben, niemand hat etwas anderes von mir verlangt. Der Kanzler hat mich nicht einmal gefragt, wen ich wähle. Ich bleibe parteifrei und werde nicht der ÖVP beitreten.

STANDARD: Haben Sie ein politisches Vorbild? Winkler: Eigentlich nicht. Es gibt aber viele, die ich bewundere – etwa Friedensnobelpreisträger René Cassin, der die allgemeine Erklärung der Menschenrechte formulierte. (DER STANDARD, Printausgabe, 07.07.2005)