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Der Neurobiologe Barry Dickson ...

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... und der Quantenphysiker Rudolf Grimm sind die diesjährigen Träger des Wittgensteinpreises.

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Wien - Der Neurobiologe Barry Dickson und der Quantenphysiker Rudolf Grimm sind die diesjährigen Träger des Wittgenstein-Preises. Die jährlich vergebene Auszeichnung ist heuer mit je 1,3 Millionen Euro dotiert und damit der höchste Wissenschaftspreis des Landes. Der Wittgenstein-Preis wird deshalb auch Austro-Nobelpreis genannt.

Die diesjährigen Träger der Start-Preise sind Michael Hintermüller (Universität Graz), Alexandra Lusser (Universität Innsbruck), Michael Moser (Universität Wien), Norbert Zimmermann (Österreichische Akademie der Wissenschaften - ÖAW) und Matthias Horn (Universität Wien). Die Start-Preise, gemeinsam mit dem Wittgenstein-Preis vergeben, sind mit je 1,2 Millionen Euro dotiert. NachwuchsforscherInnen sollen damit eine Chance bekommen sich zu etablieren und auch eine Arbeitsgruppe aufzubauen.

Barry Dickson

Dickson wurde am 14. August 1962 in Melbourne (Australien) geboren. Nach einem abgeschlossenen Studium der Mathematik wandte er sich der Biologie zu und promovierte 1992 bei Ernst Hafen an der Universität Zürich. Nach Forschungsaufenthalten am Salk-Institut in San Diego (USA) und an der Universität Berkeley übernahm er eine eigene Arbeitsgruppe in Zürich.

1998 kam Dickson nach Wien, wo er fünf Jahre lang Gruppenleiter am zu Boehringer Ingelheim gehörenden Institut für Molekulare Pathologie (IMP) tätig war. Von dort holte ihn Josef Penninger im Jahr 2003 an das neue Institut für molekulare Biotechnologie (IMBA) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW), wo er derzeit als Senior Scientist tätig ist. Mit Beginn des Jahres 2006 wird Dickson die Leitung des IMP übernehmen. Er löst damit den britischen Genetiker Kim Nasmyth ab, der einem Ruf an die Universität Oxford folgt.

Rudolf Grimm

Grimm wurde am 10. November 1961 in Mannheim (Deutschland) geboren. Nach Studium an der Universität Hannover und Doktoratsstudium am der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich ging er nach Heidelberg an das Max-Planck-Institut für Kernphysik.

2000 folgte er dann einem Ruf als Professor an die Universität Innsbruck, seit 2003 ist er zusätzlich Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Grimms Forschungsdomäne ist ultrakalte Quantenmaterie, gleichsam das seltsame Verhalten von Teilchen bei "Grimmiger Kälte".

Verleihung

Viel Lob, aber auch mahnende Worte für die Forschungspolitik der Regierung fand der scheidende Präsident des Wissenschaftsfonds FWF, Georg Wick, bei der Verleihung der Wittgenstein- und START-Preise am Freitag. So appellierte Wick, dass die Politik die "Stimme der Wissenschaft mehr in Anspruch nehmen" solle. Gleichzeitig müsse gerade der Grundlagenforschung Geduld entgegengebracht werden - auch wenn bei vielen Forschungsarbeiten vorerst nichts heraus komme.

"Frustration" hervorgerufen habe bei ihm in den vergangenen Jahren, dass bei FWF-Vergabesitzungen auf Grund fehlender Finanzmittel nur 30 Prozent der Anträge gefördert werden könnten. Bei 50 Prozent sei dies O.K., die restlichen 20 Prozent würden ihm aber "im Herzen wehtun". Lob für die Regierung gab es dagegen für die Aufrechterhaltung der Autonomie des FWF sowie grundsätzlich für die Erzeugung einer positiven Grundstimmung für die Forschung und die Ausweitung der Forschungs-Mittel.

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP), der die bei der Schuldebatte im Parlament weilende Bildungsministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP) bei der Preisüberreichung vertrat, wies darauf hin, dass seit der erstmaligen Vergabe des Wittgenstein-Preises vor zehn Jahren doppelt so viele Mittel für Forschung zur Verfügung stünden. In Österreich gebe es heute erstklassige Universitäten und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen. Die Politik habe etwa mit der Forschungsmilliarde bis 2010, der Einrichtung einer Nationalstiftung für Forschung, der Etablierung des Rats für Forschung und Technologieentwicklung sowie der steuerlichen Begünstigung der Auftragsforschung im Bereich der Klein- und Mittelbetriebe auch die Weichen für die Zukunft gestellt.

Lesen Sie auf den nächsten Seiten mehr zu den Forschungsgebieten der zwei Wittgenstein-Preisträger, den bisherigen PreisträgerInnen und den Start-PreisträgerInnen.

Forschung Dickson

Der Neurobiologe Barry Dickson gilt als international anerkannter Experte für die Erforschung der Funktion von Genen bei Fruchtfliegen (Drosophila melanogaster). Drosophila ist einer der wichtigsten Modellorganismen der Genforscher.

Dicksons hauptsächliches Forschungsinteresse gilt dem sich entwickelnden Nervensystem und seiner korrekten "Verdrahtung". An Drosophila untersucht er, wie die Fortsätze der Nervenzellen (Axone) im Verlauf der Embryonalentwicklung auf ihre Zielorgane zuwachsen und durch welche Signalmoleküle Richtung und Verlauf des Auswachsens gesteuert werden.

Projekte

Zu den derzeitigen Projekten zählt der Aufbau einer kompletten Sammlung von etwa 15.000 transgenen Fliegen-Stämmen im Rahmen eines neu gegründeten Ludwig Boltzmann Instituts für funktionelle Genomik. Mit dieser umfassenden Sammlung wird es möglich sein, jedes beliebige Gen der Fliege auszuschalten. Bei der so genannten Knock-Out-Technik werden in den Fliegen gezielt einzelne Gene ausgeschaltet, um auf deren Funktion schließen zu können.

Da etwa 70 Prozent der Fliegengene auch beim Menschen repräsentiert sind, sollen auf diese Weise Modelle für menschliche Erkrankungen etabliert werden.

Forschung Grimm

Die teilweise bahnbrechenden Experimente des Quantenphysikers Rudolf Grimm drehen sich um die Phänomene Bose-Einstein-Kondensats (BEC), Superfluidität und Supraleitung. In Zustand des BEC verlieren Teilchen bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt quasi ihre Identität und beginnen im Gleichmarsch zu funktionieren. Auch bewegen sich die Teilchen völlig widerstandslos, also ohne Reibung. BEC wird als völlig eigener Zustand der Materie - neben gasförmig, fest oder flüssig - angesehen.

Allerdings kann BEC nur mit Bosonen erreicht werden. Mit Fermionen gelingt das prinzipiell nicht. Diese beiden Teilchen-Gruppen unterscheiden sich durch den so genannten Spin. Nach einem quantenmechanischen Gesetz können sich nicht zwei oder mehr Fermionen auf dem gleichen Energieniveau befinden (Pauli-Prinzip) und beim BEC befinden sich alle Teilchen im niedrigsten Energieniveau.

Bosonen und Fermionen

Bosonen sind Teilchen oder auch Atome mit "ganzzahligem Spin" oder anders ausgedrückt: Sie setzen sich aus einer geraden Zahl von Protonen, Neutronen und Elektronen zusammen. Bosonen, die auch gerne von Experimentalphysikern verwendet werden, sind beispielsweise Heliumatome und Heliumkerne. Die Gegenstücke zu den Bosonen sind Fermionen, diese besitzen dementsprechend eine ungerade Zahl dieser Teilchen. Einzelne Protonen, Neutronen und Elektronen sind demnach stets Fermionen.

Mit einem Trick schaffte Grimm mit seinen Mitarbeitern aber das eigentlich Verbotene, die Forscher verhalfen nämlich Fermionen in den Zustand des BEC. Die Erklärung für das Experiment ist - jedenfalls im Prinzip - relativ einfach: Die Physiker erzeugen aus einem fermionischen Gas aus Lithium-6-Atomen (drei Protonen, drei Neutronen, drei Elektronen) paarweise Moleküle und somit bosonische Teilchen, weil aus zwei Teilchen mit halbzahligen Spin ein Molekül mit ganzzahligen Spin wird. Mittels Variation der Stärke eines Magnetfeldes kann die Umwandlung in Fermi-Kondensate wie mit einem Drehschalter gesteuert werden.

Anerkennung

Die Ergebnisse sind nicht nur für die Grundlagenforschung von Bedeutung, auch für Ingenieure und Technologen ist der Zustand der Suprafluidität, in dem etwa Flüssigkeiten ohne jeden Reibungsverlust fließen, höchst interessant. Ende vorigen Jahres wurden die jüngsten Forschungen von Grimms Gruppe von der renommierten amerikanischen Wissenschaftszeitschrift "Science" in die "Breakthrough of the Year"-Liste gesetzt.

Die Start-PreisträgerInnen:

Michael Hintermüller (34) wurde in Linz geboren. Er studierte Technische Mathematik an der Universität Linz. Nach Forschungsaufenthalten etwa in den USA ist er seit 2003 Professor an der Universität Graz. Hintermüllers Forschungsinteresse gilt "Interfaces und Freien Rändern". Solche Interfaces gibt es in verschiedensten Bereichen, von der Mechanik von Bruchstellen über die Finanz-Mathematik bis zur Medizin.

Matthias Horn (33) kommt aus Chemnitz (Deutschland). Er studierte Mikrobiologie in München und ist seit 2003 Assistent am Department für Mikrobielle Ökologie der Universität Wien. Der Forscher untersucht das Zusammenspiel von Organismen, wie sich etwa Symbiosen und Krankheiten im Laufe der Evolution entwickelten.

Aus Lienz stammt die zweite Mikrobiologin der diesjährigen START-Preisträger, Alexandra Lusser (34). Sie absolvierte ihr Studium an der Universität Innsbruck und arbeitet dort seit 1999 als Assistentin. Sie erforscht die hochkomplexe Verpackung der Erbsubstanz DNA. Der Vorgang wird über Protein, die so genannten Histonen, im wahrsten Sinne des Wortes abgewickelt.

Michael Moser (36) ist geborener Linzer. Nach dem Studium der Russischen und Deutschen Philologie an der Uni Wien wurde er 1991 Assistent am Institut für Slawistik. Mosers Hauptinteresse gilt der Erforschung der ukrainischen Philologie. Auch wenn 40 Millionen Menschen ukrainisch sprechen, ist von wissenschaftlicher Seite bisher wenig über ukrainische Sprache und Literatur an Grundlagen erarbeitet worden.

Norbert Zimmermann (37) stammt aus Bonn. Er studierte Kunstgeschichte und wandte sich in seinem Doktorat frühchristlicher und byzantinischer Kunstgeschichte zu. Sein derzeitiger Forschungsschwerpunkt ist die so genannte Domitilla-Katakombe in Rom. Diese zählt mit einer Ausdehnung von 15 Kilometern zu den größten Katakomben Roms. Seit 2004 arbeitet Zimmermann an einem Forschungsprojekt am Österreichischen Archäologischen Institut (ÖAI).

Der Wittgenstein-Preis wurde 1996 erstmals und seither jährlich vergeben und ist die höchstdotierte wissenschaftliche Auszeichnung des Landes. Nicht zu verwechseln ist diese auch als Austro-Nobelpreis bekannte Ehrung mit dem undotierten Ludwig Wittgenstein-Preis der Österreichischen Forschungsgemeinschaft, der in unregelmäßigen Abständen vergeben wird.

Die bisherigen PreisträgerInnen sind:

1996: Ruth Wodak (Sprachwissenschafterin) und Erwin Wagner (Genforscher)

1997: Erich Gornik (Halbleiterphysiker) sowie Antonius und Marjori Matzke (Molekularbiologen-Ehepaar)

1998: Walter Schachermayer (Finanzmathematiker)

1999: Kim Nasmyth (Molekularbiologe)

2000: Andre Gingrich (Anthropologe) und Peter Markowich (Mathematiker)

2001: Heribert Hirt und Meinrad Busslinger (beide: Zellforscher)

2002: Ferenc Krausz (Physiker)

2003: Renee Schroeder (Genetikerin)

2004: Walter Pohl (Historiker)
(APA)