Genf - Der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für das Recht auf Nahrung, Jean Ziegler, hat sich am Mittwoch in Genf wegen seiner Aussage verteidigt, der Gazastreifen sei ein Konzentrationslager. Das Alternative Informationszentrum von Michel Warschawsky in Tel Aviv nenne den Gazastreifen in seiner Publikation ein Konzentrationslager, sagte Ziegler vor der Presse. Er sei Mitglied des Zentrums und habe diesen Begriff von da entliehen.

Warschawsky-Zitat

Ziegler hatte den Gazastreifen Anfang Juli bei einer Solidaritätsveranstaltung mit den Palästinensern in Genf ein "riesiges Konzentrationslager" genannt. Er habe damit Warschawsky zitiert, sagte Ziegler. Auch andere israelische Nichtregierungsorganisationen (NGO) wie die Menschenrechtsorganisation B'tselem und die Organisation der Rabbiner für Menschenrechte benützten diesen Begriff. Er habe nicht die Nazis erwähnt, so Ziegler. "Nichts ist vergleichbar mit dem entsetzlichen Verbrechen der Shoa", betonte er. Konzentrationslager seien erstmals von den Briten in Südafrika gebaut worden.

Zieglers Meinung nicht die der UNO

Der Pressesprecher von UNO-Generalsekretär Kofi Annan, Stephane Dujarric, hatte am vergangenen Donnerstag in New York auf eine Frage von Journalisten geantwortet, Ziegler sei ein unabhängiger Experte, der der UNO-Menschenrechtskommission (MRK) über das Recht auf Nahrung Bericht erstatte. Zieglers Meinung sei nicht jene der UNO. Die UNO halte einen Vergleich der Lebensbedinungen im Gazastreifen mit jenen von Nazi-Konzentrationslagern für unverantwortlich, sagte Dujarric weiter. Und ein solcher Vergleich widerspiegle nicht die Ansicht des UNO-Generalsekretärs. Auch der Sprecher des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte (UNO-OHCHR), Jose-Luis Diaz, sagte später, falls Ziegler diese Aussage gemacht habe, sei sie unverantwortlich.

Die UNO war offenbar von der Israel und den USA nahestehenden Organisation UNO-Watch auf Zieglers Bemerkung aufmerksam gemacht worden. Die Genfer Zeitung "Le Courrier" hatte Zieglers Vergleich erwähnt. UNO-Watch hatte nach eigenen Angaben Annan und die UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, Louise Arbour, aufgefordert, Zieglers Aussage zu verurteilen.

Israel strengt seit Jahren Abberufung Zieglers an

Israel hat wiederholt ohne Erfolg versucht, Zieglers Abberufung zu erreichen. Dem Schweizer sozialdemokratischen Politiker und Soziologen wurde vorgeworfen, dass er wirtschaftliche Sanktionen der EU gegen Israel befürwortet hätte, um Israel zu veranlassen, das Recht auf Nahrung der Palästinenser zu respektieren. Der 71-jährige Genfer Universitätsprofessor und ehemalige langjährige Schweizer Nationalratsabgeordnete ist seit fünf Jahren UNO-Sonderberichterstatter. Sein Mandat wurde gegen die Stimmen der USA und Israels verlängert. In seiner Heimat war Ziegler unter anderem wegen seines Enthüllungsbuches "Die Schweiz wäscht weißer" heftig angefeindet worden. Darin hatte er die Schweiz als "Weltwaschanstalt des Drogen- und Fluchtgeldes" charakterisiert. Die Bundesversammlung in Bern hatte 1995 mit den Stimmen der bürgerlichen Fraktionen die parlamentarische Immunität des Politikers aufgehoben. Sein Buch "Die neuen Herrscher der Welt" rechnet mit der Unmoral der Mächtigen ab. "Warum sterben die Menschen an Hunger, wenn der Planet eigentlich alle ernähren könnte?". (APA/sda)