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Wien mag eine Millionenstadt mit herausragender Lebensqualität, großartigem Kulturangebot und ganz tollem Grüngürtel sein - manchmal aber fühlt man sich hier trotz allem im Zentrum der Provinz. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn einen die Lust auf exotisches Essen packt.

Anderswo im benachbarten Europa mag es möglich sein, sehr authentisch indonesisch, thai oder vietnamesisch essen zu gehen, ohne dafür ans andere Ende der Stadt (oder noch viel weiter weg) reisen zu müssen. In Wien geht man, in Ermangelung originaler Alternativen, stattdessen zum Pan-Asiaten, wo exotische Küchenangestellte mittels praktischer Saucen und beherztem Glutamat-Einsatz mehr oder weniger scherzhafte Karikaturen der jeweiligen Küchen fabrizieren. Ja, ja, auch hier gibt es den einen oder anderen Vertreter echter ethnischer Küche, bloß muss man sich dafür fast immer in obskure Vorstadtpinten oder sonst wie amateurhafte Lokalversuche begeben.

Nun sollte man glauben, dass mit fortschreitender Globalisierung und Weltläufigkeit auch in Wien das Angebot unverfälschter Asia-Küchen steigen sollte. Tatsächlich scheint das Gegenteil der Fall zu sein. Erst unlängst sperrte etwa in der Kaiserstraße mit dem "Bamboo" ein panasiatisches Restaurant auf, das Gerichte bietet, die auf geradezu spektakuläre Weise rein gar nichts mit der angeblichen Herkunft der jeweiligen Küchen zu tun haben. Dabei ist das "Bamboo" keineswegs ein Einzelfall: In der Margaretenstraße existiert seit Längerem ein gleich gestricktes und gleichnamiges Schwesterlokal, auch sonst erfreuen sich die seltsamen Hybriden durchaus wachsender Beliebtheit.

Massive Buffettheke

Wie auch immer: Das weitläufige Restaurant lockt mit einer massiven Buffet-Theke, von der man wählt, was der freundliche Schaukoch dann vor den Augen der Gäste im Wok oder auf der Teppan-Grillplatte zubereitet. Um wohlfeile € 13,50 darf man nehmen, so oft und so viel man will. Das Angebot besteht aus mehr oder weniger frisch aufgetautem, geschnetzeltem Fleisch in den Sorten Huhn, Schwein, Rind, weiters Lachs, Tintenfisch, den berüchtigten asiatischen Shrimps und gefährlich aussehenden Grünschalenmuscheln. Gemüse gibt es auch, das schwimmt als Einziges nicht im Auftauwasser.

Verschiedene Zubereitungsarten stehen zur Wahl. Wofür auch immer man sich entscheidet, zuerst werden die Zutaten mittels Sieb in einen Topf kochender Flüssigkeit getaucht - warum, bleibt Spekulation. Im Wok raucht derweil Öl. Da kommen die triefenden Zutaten hinein, sogleich wird mit der entsprechenden Fertigsauce aufgegossen. Bei "Thai-Curry" ist sie orange und schmeckt noch relativ harmlos, in der Variante "Knoblauch" wird es braun und schockierend glutamatös; "Lemon-Ingwer" schließlich ist weißlich und beeindruckt durch ganz erstaunliche Süßkraft - und sonst nichts. "Kombinieren Sie immer wieder neu, so oft Sie möchten", heißt es dazu in der Speisekarte. Da schaut man bald, was das Buffet sonst noch zu bieten hat. Sushi natürlich, massive Reisrollen mit Surimi-Füllung, oder feiste Ziegel mit einem dünnen Lappen Lachs obendrauf. Wer davon kostet, versteht, warum die Sushi-Auswahl den Abend fast jungfräulich übersteht: Seit der Antike wird ja aus Reis auch ein kraftvoller Klebstoff hergestellt.

Auf der normalen Speisekarte finden sich dafür Spezialitäten aus aller Herren Länder. "Mojaschi Salat, Sojasprossen nach japan. Art" entpuppt sich als gnadenlos durchsäuerter Haufen gekochter Sojasprossen, "Babi Panga, indonesisches Schweinesteak, würzig gebraten mit Limettensauce, Mangos und Ananas" ist Geschnetzeltes in schwach gesalzenem Zuckersirup mit Ananasstücken aus der Dose.

Richtig beunruhigend gerät der "Gebratene Gemüse-Ramen mit knuspriger Ente": Statt der erwarteten Nudelsuppe erreichen mikrowellengeschädigte Bandnudeln mit wenigen Zwiebeln den Tisch, darüber ein in Backteig frittiertes, fettes Stück Ente. Die gefährlich nach Pappmaché schmeckenden Nudeln kann man mit Misosuppe hinunterspülen. Wie diese zu ihren überdeutlichen Waschwasser-Akzenten im Abgang kommt, will man dann gar nicht mehr wissen. (Severin Corti, DER STANDARD/rondo/15/07/2005)