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Schematische Darstellung eines Beispielsatzes und von sechs Worten in österreichischer Gebärdensprache

Foto: APA/ E. Schulte-Holtey
Wien – Ein Gipfel ist erklommen – aber jetzt beginnen wieder die Mühen der Ebene. "Die Anerkennung der Gebärdensprache ist ein erster wichtiger Schritt, ein positives Zeichen" ist die Einschätzung Helene Jarmers im Standard -Gespräch. Gleichzeitig ist es der Präsidentin des Österreichischen Gehörlosenbundes (ÖGLB) bewusst, dass es eine "symbolische Anerkennung auf österreichisch" ist.

Die Gebärdensprache wurde Anfang Juli in die Verfassung aufgenommen – aber das war es auch schon. Denn es heißt: "Das Nähere bestimmen die Gesetze". Somit bedeutet dies keine automatische Verankerung als Amtssprache, auch ist die Gebärdensprache damit noch nicht als Unterrichtssprache zugelassen.

Schwerpunkt Bildung

"Es gibt noch sehr viel zu tun", weiß Jarmer. Und es geht um weit mehr, als nur um Hilfestellungen bei Behördenwegen. Am wichtigsten ist die Umsetzung im Bildungsbereich: "Es ist wichtig, dass gehörlose Kinder wählen können, ob sie in Gebärdensprache oder in Lautsprache unterrichtet werden wollen", fordert die ÖGLB-Präsidentin. "Es muss im Unterricht auch ein eigenes Fach Gebärdensprache und ein Fach Gehörlosengeschichte geben."

Entsprechende Lehrpläne

Außerdem müssten entsprechende Lehrpläne entwickelt werden, "die Ausbildungschancen müssen genau die gleichen sein; die Gehörlosen müssen nach dem gleichen Lehrplan wie in normalen Schulen unterrichtet werden" – was derzeit nicht der Fall ist. Und es müsse entsprechende Angebote an Eltern gehörloser Kinder geben, dass sie selbst die Gebärdensprache lernen können.

Dolmetscher für Arzt aber nicht nach Missbrauch

Aber es gibt noch einige andere Bereiche, wo es gehörigen Aufholbedarf gibt. So werden zwar Dolmetscher für Arztbesuche bezahlt – aber nur ab 15 Jahren und bis zur Pensionierung. Ältere Gehörlose müssen sich den Dolmetscher beim Arzt wieder selbst bezahlen. "Aber auch bei Kindern, wenn es etwa um sexuellen Missbrauch geht – da wird kein Dolmetscher bezahlt", ärgert sich Jarmer.

Führerscheinprüfung ohne Dolmetscher

Oder ein konkreter Fall in Kärnten, wo einer Gehörlosen bei der Führerscheinprüfung ein Dolmetscher verweigert wird, mit dem Argument, der könne ja bei den Antworten auch helfen. Die Frau muss die Prüfung daher schriftlich ablegen, was ihr aber ungleich schwerer fällt, da sie keine gebürtige Österreicherin ist.

Eigenständiger Sprache

Gleichzeitig registriert Jarmer auch positive Veränderungen: "Bei einigen Politikern hat ein Bewusstseinsschritt stattgefunden. Im Parlament wurde von der Gebärdensprache als eigenständiger Sprache gesprochen, auch wurde unter anderem bilinguale Erziehung gefordert." Das wäre vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen.

Die Verankerung der Gebärdensprache in der Verfassung ist in dieser Entwicklung ein weiterer, wichtiger Impuls: "Jetzt muss etwas geschehen. Nur was und wie viel – das wird sich erst zeigen." (Roman David-Freihsl, DER STANDARD Printausgabe 16/17.7.2005)