Michael Fleischhacker

"So wie es anderswo schlechte Menschen gibt, gibt es die auch unter Journalisten, ja sogar unter Politikern." Da schau her. Der das sagt, FPD-Generalsekretär Guido Westerwelle, ist jedenfalls von den schlechten keiner. Medienmäßig zumindest. Der junge Herr spricht druckreif, schaut nett aus und ist regelmäßig in jeder Talkshow zu Gast, die auf sich hält. So einen brauchen die Journalisten. Brauchen sie so einen?

Wer hier wen braucht und wer wessen Gegner/Verbündeter ist und ob die Enthüllungen der Medien wirklich zur Aufklärung beitragen oder eher die Bühne für politische Selbstinszenierungen abgeben, das waren die Fragen beim zweiten "Zentraleuropagespräch", das DER STANDARD, die Süddeutsche Zeitung und der Tagesanzeiger (Zürich) am Donnerstagabend im Münchner Künstlerhaus veranstalteten. Titel: "Zwischen Enthüllung und Politshow".

Aus deutscher Sicht boten die vergangenen Monate zweierlei: Erstens, darin waren sich Politiker, Journalisten und Medienwissenschafter einig, haben die deutschen Medien in der CDU-Spendenaffäre eine sehr gute Figur gemacht, indem sie sich, wie der ehemalige CDU-Generalsekretär und "Mit-Aufdecker" Heiner Geißler lobend anmerkte, "auf die Seite der Verfassung gestellt" haben. Zweitens würden dennoch "die Sitten rauer". Roger Blum, Medienwissenschafter in Bern und Präsident des Schweizer Presserates, beobachtet, dass die Medienberichterstattung "intimer, gnadenloser und standortloser" geworden sei, sein Münsteraner Professorenkollege Siegfried Weischenberg, der auch Chef des Deutschen Journalisten Verbandes ist, ortete die "Kommerzialisierung des Medienwesens" als wichtigste Ursache für diese Entwicklung.

ARD-Chefredakteur Hartmann von der Tann wollte gleichwohl den "Jagdinstinkt" der Journalisten weiterhin als Tugend anerkannt wissen. Es komme nur darauf an, "welche ethischen Maßstäbe diesen Instinkt limitieren." Seine Kurzformel dafür lautet: "Jagen, nicht hetzen".

In Argumentationsnotstand geriet der Fernsehmann, als die Sprache auf das Phänomen Jörg Haider und dessen für die Gegner desaströsen Auftritt in Erich Böhmes Talkshow kam. Von der Tanns eher kleinlaute Auskunft, dem Haider sei eben in einer solchen Form nicht beizukommen, weil er alles abstreite, wurde von Guido Westerwelle und dem Chef-Aufdecker der Süddeutschen Zeitung, Hans Leyendecker, nicht akzeptiert: "Da habe ich kein Mitleid", meinte Westerwelle, "es ist Ihr Job, das zu können." Leyendecker, der mit seinen Berichten die CDU-Affäre ins Rollen brachte, forderte mehr Professionalität und Faktenstudium ein.

Das Wienerische brachte in Form von selbstironischer Schadenfreude Hans Rauscher ein: "Mit einem gewissen Behagen" betrachte man in Österreich, "wie sich nun europäische Journalisten an Herrn Haider die Zähne ausbeißen, wie wir sie uns seit 15 Jahren ausbeißen". Rauscher erläuterte die Entstehungsbedingungen des Phänomens H. und ließ dabei auch die Rolle der "bestgemachten schlechten Zeitung der Welt" nicht aus, deren Herausgeber freilich in letzter Minute entschieden habe, dass Haider "doch noch nicht Kanzler werden kann", weil "der Bub noch ein paar Jahre warten" müsse.

Hans Werner Kilz, der Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung, der die Diskussion elegant moderierte, zitierte abschließend eine dem SPD-Politiker und EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen zugeschriebene Definition des prekären Beziehungsgeflechts: "Die Journalisten kritisieren die Politiker, welche das als Ausdruck der Pressefreiheit zu loben haben." Kein Einspruch, Euer Ehren.