New York - Die Investoren sind am Freitag an der Wall Street auf Grund von plötzlichen Inflations- und Zinsängsten in Panik geraten. Es gab eine beispiellose Verkaufslawine die fast alle Aktienkurse in den Keller trieben. Zeitweise befanden sich die Kurse nahezu im freien Fall. "Am Freitag war ein wilder Sturm durch die Wall Street gefegt. Die Investoren fragten sich, ob sie die Wall Street verlassen und auf das Deck der Titanic gestiegen waren", erklärte Lynn Reaser von der Bank of America Capital Management. Dow-Jones, NASDAQ und Standard & Poor's stürzten ab Der Dow-Jones-Index, der technologielastigen NASDAQ-Index und der Standard & Poor's 500-Index, die drei wichtigsten US-Börsenbarometer, verbuchten ausnahmslos ihre bisher höchsten eintägigen Punktverluste. Der Dow-Jones-Index stürzte um 617,78 Punkte oder 5,66 Prozent auf 10.305,77 Punkte ab. Das war der schlimmste Punktverlust in der mehr als 100-jährigen Geschichte des Dow. Der mit Technologieaktien vollgepackte Nasdaq-Index brach sogar um 9,67 Prozent oder 355,49 Punkte auf 3.321,29 Punkte ein. Das war der größte Punktverlust und der zweithöchste prozentuale Rückschlag. In der abgelaufenen Börsenwoche hat der Nasdaq-Index 25,3 Prozent an Wert eingebüßt. Das war der schlimmste wöchentliche Rückschlag. Der breiter gefasste Standard & Poor's 500-Index, der die Kursentwicklung der 500 wichtigsten US-Großkonzerne widerspiegelt, sackte um 83,95 Punkte oder 5,83 Prozent auf 1.356,56 Punkte ab. Alle 30 im Dow-Jones-Index enthaltenen Aktien wiesen Minuszeichen auf, und nur 16 der 500 S&P-Werte zeigten Kursgewinne. Der Nasdaq-Index ist seit seinem am 10. März verbuchten Rekord von 5.048,62 Punkten um nicht weniger als 34,2 Prozent eingebrochen. Der Index liegt jetzt um 18,4 Prozent niedriger als zum Jahresbeginn. Er hatte allerdings 1999 um 86 Prozent zugelegt. Der Dow-Jones-Index liegt jetzt um 12,07 Prozent unter seinem am 14. Jänner verbuchten Höchststand von 11.722,98 Punkten. Auslöser Auslöser des heftigen Kursverlusts war der unerwartet scharfe Anstieg der US-Verbraucherpreise im März um 0,7 Prozent. Selbst wenn man die Energie- und Nahrungsmittelpreise ausklammert, ergab sich eine Inflationsrate von 0,4 Prozent oder von fast fünf Prozent aufs Jahr hochgerechnet. Dies ließ sofort die Angst vor einer möglichen halbprozentigen Leitzinserhöhung auf dem nächsten US-Notenbanktreffen am 16. Mai aufkommen. Die US-Notenbank unter Alan Greenspan hat es bisher trotz fünf Leitzinsaufschlägen seit Juni 1999 noch nicht geschafft, den konjunkturellen Höhenflug in den USA zu bremsen. Greenspan hatte die Finanzinstitute noch am Freitag zu größerer Risikovorsorge für unausbleibliche Finanzmarktrückschläge aufgefordert. Höhere Zinsen verteuern die Kredite und belasten damit die Unternehmensgewinne. Zahllose Amerikaner hatten auf Grund der langen Hausse Aktien auf Pump gekauft. Jetzt fordern viele Brokerhäuser die Rückzahlung der Kredite. Das hatte die Verkaufslawine noch vergrößert. Mehrere große Brokerhäuser mahnten die Anleger für Montag und die kommenden Tage zur Ruhe. Sie verwiesen auf die weiterhin gute Wirtschaftslage und die erhofften guten Gewinnausweise der US-Firmen für das erste Quartal 2000. Andere Wall-Street-Gurus befürchten, dass sich die Baisse fortsetzen könnte. (APA)