Twinning Projekt in Ankara
"Der Wunsch, zur Union zu gehören, ist hier der größte Motor für jegliche Veränderungen," erzählt auch der Österreicher Karl Grundböck, der in Ankara ein "Twinning Projekt" der Europäischen Union leitet. Das Projekt, koordiniert vom Wiener Ludwig-Boltzmann Institut für Menschenrechte, soll durch gezielte Trainings die Vernehmungsmethoden der türkischen Polizei modernisieren, Folter und unmenschliche Behandlung verhindern und Strukturen des Polizeiapparates durchsichter machen.
Grundböck sieht die Bereitschaft des türkischen Staates, die Erwartungen der EU zu erfüllen, als weitreichenden und bedeutenden Schritt. "Der Staatsapparat der Türkei ist äußerst hierarchisch, militärisch aufgebaut. Die gezielte Stärkung der Zivilgesellschaft in diesem Land machen diese Machtpositionen hinterfragbar. Die Türkei will in die Union und tut sehr viel dafür."
Evidente Veränderungen
Dazu gehört auch eine umfassende Polizeireform. Der aktuelle Bericht von Amnesty international wirft der türkischen Polizei in der Vergangenheit zahlreiche Folterpraktiken vor, gegen die die offizielle Türkei strikt vorzugehen plant. Ministerpräsident Erdogan und Außenminister Gül, der einem Ausschuss zur Überwachung der Reformumsetzung vorsteht, werden nicht müde zu betonen, dass die Regierung "null Toleranz" gegen Folter und Folterer übe.
Im Rahmen des "Twinning-Projektes" trägt Karl Grundböck seinen Teil zur Offenlegung der Strukuren des türkischen Parteiapparates bei. Seit September 2004 trainiert der freigestellte österreichische Exekutivbeamte türkische Polizisten nach dem Train-the-trainer-Konzept. "Wir schulen einige ausgesuchte Leute, die wiederum ihrerseits in den Regionen Schulungen abhalten". Grundlage für die Trainings ist eine gründliche Evaluierung der aktuellen Vernehmungssituation, die laut Grundböck nicht allzu "transparent" ist. "Uns geht es aber nicht darum, mögliche Folterpraktiken "aufzudecken", wir schauen uns an, wie die Polizeiarbeit organisiert ist und wie man die Struktur dahingehend ändern kann, dass unmenschliche Behandlung eben nicht möglich ist."
"Sie haben das Recht zu schweigen ..."
Ein wichtiger Aspekt dabei: die Rechte der Verdächtigen. "Was aus Film und Fernsehen geläufig ist", schmunzelt Grundböck, "das ist jetzt auch in der Türkei Pflicht". Die Verdächtigen müssen über ihre Rechte aufgeklärt werden, ein Anwalt wird gestellt, die Vernehmungen finden in Anwesenheit der Rechtsvertreter statt. Auch andere Maßnahmen werden langsam installiert, jede Vernehmung muss genau dokumentiert werden, die Verdächtigen werden vor und nach der Vernehmung einer ärztlichen Untersuchung unterzogen.
Eingefleischte Organisationsabläufe
Auf Ablehnung stößt Grundböck bei seinen Schulungen und Recherchen kaum. "Die Bereitschaft zur Verbesserung der Vernehmungsmethoden ist sehr hoch, nach einem Jahr der Zusammenarbeit glaubt Grundböck bereits erste Veränderungen wahrzunehmen: "Natürlich braucht die Änderung eingefleischter Organisationsabläufe Zeit. Wir konnten jedoch bereits einen Rückgang der Beschwerden wegen Folter und menschenunwürdiger Behandlung feststellen." In enger Zusammenarbeit mit der Polizei, der Staatsanwaltschaft, RichterInnen und der Anwaltskammer soll am Ende des eineinhalbjährigen Projektes die Situation sorgfältig beleuchtet werden. "Der Weg ist natürlich noch ein langer und muss auch nach unserem Projekt konsequent weitergegangen werden."
"Und was war mit Cheibani W.?"