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Margot Wallstrom will gegen den "Eurospeak" vorgehen.

Foto: REUTERS/BENOIT DOPPAGNE
Es hat siebeneinhalb Wochen gedauert, bis die EU-Kommission zumindest einige Antworten darauf gefunden hat, wie die derzeitige EU-Krise gelöst werden könnte. Es ist allerdings bezeichnend, dass diese Vorschläge just am letzten Sitzungstag der EU-Kommission vor der Sommerpause präsentiert wurden und sich dann die Kommissare und der Großteil der Brüsseler Beamten in den Urlaub verabschiedete. Ebenfalls bemerkenswert ist, dass nicht EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso die Vorhaben präsentiert hat, sondern zwei Vizepräsidenten.

Zum einen soll, als Erkenntnis aus den negativen Verfassungsreferenden in den Niederlanden und Frankreich, die EU-Politik besser erklärt werden. Das ist ein hehrer Vorstoß, den die für Kommunikation zuständige Vizepräsidentin der EU-Kommission, Margot Wallström, unternimmt. Der Ansatz ist aber richtig, wenngleich die Umsetzung noch sehr vage ist.

Verzicht auf "Eurospeak"

Vieles in dem nun vorgestellten Aktionsplan für eine neue Kommunikationsstrategie ist noch arg schwammig, etwa das Versprechen, künftig auf den berüchtigten "Eurospeak" zu verzichten, den außer Brüsseler Eingeweihte ohnehin niemand versteht. Es ist aber zumindest ein interessantes Projekt zu versuchen, Richtlinien und Verordnungen in Alltagssprache zusammenzufassen, sodass die davon betroffenen 450 Millionen EU-Bürger zumindest die Chance haben zu verstehen, worum es hier eigentlich geht.

Es reicht auch nicht, wie nun vorgesehen, vermehrt die EU-Kommissare aus Brüssel raus in die einzelnen Mitgliedstaaten zu schicken. Das ist aber ein Schritt in die richtige Richtung. Derzeit verschanzen sich die Entscheidungsträger regelrecht in ihren Büros in Brüssel. Eingebunden in den immensen Apparat besteht die Gefahr, schlicht abzuheben und von den Sorgen und Ängsten der Bevölkerung, die die Adressaten all dessen sind, was in Brüssel ausgeheckt wird, nur noch wenig mitzubekommen. Außerdem neigt die Brüsseler Bürokratie dazu, schon aus Rechtfertigungsgründen ihrer selbst, viele unnötige Regularien und Richtlinien zu produzieren, die erst recht den Frust von vielen Bürgern auf "die EU" steigern.

Entbürokratisierungskampagne

Insofern ist die Initiative von EU-Kommissar Günter Verheugen zu begrüßen, der sich einer Entbürokratisierungskampagne verschrieben hat. Ob es ihm wirklich gelingt, auch gegen den Widerstand von einigen seiner 24 Kommissionskollegen, die Rücknahme von EU-Maßnahmen durchzusetzen, ist der Gradmesser, wie reformbereit und vor allem -fähig die EU- Kommission selbst ist.

Denn es reicht nicht, wie es Verheugen getan hat, die EU- Staaten zu weiteren Reformbemühungen aufzurufen und die Bürger auf weitere Einschnitte und Entbehrungen einzuschwören. Dass Verheugen bei der Verkündigung, wie die so genannte Lissabon-Strategie für mehr Wachstum und Beschäftigung von der Kommission umgesetzt werden soll, keine neuen Projekte und Vorhaben angekündigt hat, ist ihm anzurechnen. Denn es reicht, wenn die EU-Kommission auf die Umsetzung der bereits beschlossenen Maßnahmen beschränkt und die vorgeschlagenen Zeitpläne auch einhält.

Auch die EU-Mitgliedsstaaten müssen dazu beitragen, dass sich die Bürger besser eingebunden fühlen und Entscheidungsprozesse und Beschlüsse auf EU-Ebene besser nachvollziehen können. Dazu gehört auch die in Österreich geübte Praxis, sich einfach an Brüssel abzuputzen und die Verantwortung für unangenehme Entscheidungen - wie die Öffnung von österreichischen Universitäten auch für ausländische Studierende - auf "die EU" abzuschieben, endlich einzustellen.

Wer wie Finanzminister Karl-Heinz Grasser seiner populistischen Ader frönt und "weniger EU" und die Aussetzungen von Verhandlungen mit der Türkei über einen EU- Beitritt fordert, befriedigt damit vielleicht seine persönliche Eitelkeit. Aber genau das trägt zur weiteren Verbreitung der EU-Skepsis in der Bevölkerung bei. (DER STANDARD, Print, 21.7.2005)