Im "bar" sieht die Welt ziemlich rosa aus.

Foto: Der Standard

Das liegt am Licht und an den netten Menschen.

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Bei den Preisen, die in der Berggasse neuerdings für Essen verlangt werden, reibt man sich die Augen: Um magere drei Euro kann man da ein erwachsenes Chilli con Carne ordern, oder einen abartig großen Teller "New England Clam Chowder". Wer 50 Cent drauflegt, darf sich auch das Club Sandwich, die American Pan Pizza, Spaghetti mit Meatballs oder die "Chuckwagon Maccaroni" mit einem Sugo aus Bohnen, Wurzelgemüse, Speck und Tomaten einverleiben. American Dining zu Mensa-Preisen? Da kann eigentlich nur gemeine Convenience-Ware vom bösen Globalisierungs-Multi über den Tresen geschoben werden. Sollte man meinen. No, not this time.

Seit wenigen Wochen gibt es im "bar" - steht für "best american restaurant" - einen völlig abgehobenen Mix aus authentisch amerikanischer Home Cuisine, chromblitzendem Diner-Interieur und rührend niedrigen Preisen. Das Essen ist, bis hin zum Chilli-Dip, selbst gemacht, für die Burger gibt es, freshness pur, einen Profi-Fleischwolf aus dem Metzgerei-Fachhandel. Gebraten wird auf Induktionsgrill, das Lokal ist klimatisiert, und man fragt sich, wer das alles bezahlt - und warum.

Schuld ist, wieder einmal, der Buddhismus. Der Besitzer, ein Om-gepegelter Manager in der Pharmaindustrie, kocht leidenschaftlich gerne, will seinen Namen "nur wegen dieser Restaurant-Geschichte" aber lieber nicht gedruckt sehen. Die Geschäfte gehen gut, mit dem "bar" möchte er nun einen Ort nach schaffen, in dem "die verschiedensten Menschen, unabhängig von ihrem Einkommen, zusammenkommen und sich austauschen können". Gut Mensch, nur weiter so. Dass die US-Küche "ganz wunderbar schmecken kann", hat der gebürtige Italiener vor 20 Jahren in New York erlebt - und gelernt: Im (auch kulinarhistorisch) legendären Waldorf Astoria verdingte er sich für drei Jahre als Nachtkoch: "Ich war allein erziehender Vater und ein kleiner Trainee mit elendem Verdienst, da musste ich mich um ein Zubrot bemühen."

Die einst im Waldorf erfundenen, sündhaft guten Eggs Benedict (pochierte Eier auf Toast mit gebratenem Bacon und ordentlich Sauce hollandaise drüber - der Rest des Sonntags findet dann im Bett statt . . .) gibt es hier leider auch nicht, dafür werden die Hamburger auf Wunsch medium rare gebraten. Garniert wird mit geschmolzenem Blue Cheese, mit gebratenem Speck und, Little Italy zu Ehren, auch mit melted mozzarella. Der klassische Cheeseburger mit Cheddar steht mysteriöserweise nicht auf der Karte, bestellen kann man ihn zum Glück schon. Dafür ist er nur mit Tomate und Salat garniert, sonst übliche Goodies, Zwiebel, Gurkerln, Jalapeno Peppers und so gibt es, wenn überhaupt, nur extra. Der Coleslaw aus Kraut, Karotten und ordentlich Mayo schmeckt so süßlich wie in Amerika, die Pommes frites entpuppen sich als köstliche "Home Fries", in der Schale frittierte Kartoffeln.

Auch sonst ist die Karte für Überraschungen gut

Die erwähnte "Clam Chowder" etwa hat mit der obersschwangeren, mehllastigen Cremesuppe mit Mais und Muscheln, die in Neu-England serviert wird, rein gar nichts zu tun: stattdessen freut man sich an einer Art Minestrone mit saftigem Fisch, Jakobsmuscheln und frischen Kräutern drin - lip-smackingly good! Die Spaghetti sind al dente, die Meatballs würzig wie bei Mamma, die Portionen riesig. Einstweilen kocht der Pharma-Boss meist selbst, das wird sich auf die Dauer aber kaum ausgehen. Motivierte, menschenfreundliche Köche sind deshalb eingeladen, sich zu melden - auch deshalb, weil die Leute von der US-Botschaft auf Anhieb so begeistert waren, dass bereits über den Betrieb der dortigen Kantine verhandelt wird. (Severin Corti/Der Standard/rondo/22/07/2005)