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Thaddee Ntihinyurwa, Erzbischof von Kigali

Foto: APA/EFE/Pino
Kigali - Der katholische Erzbischof von Kigali, Thaddee Ntihinyurwa, ist als Zeuge vor ein ruandisches Volksgericht geladen worden, das die Verbrechen des Völkermords von 1994 untersucht. Wie die BBC berichtet, soll der Erzbischof über die 1994 in seiner Diözese verübten Massaker in dem Dorf Nyamasheke Auskunft geben. Augenzeugen hätten ihn dem Gericht als aussagekräftigen Zeugen genannt.

Nach UN-Angaben kamen bei dem Völkermord von 1994 in dem ostafrikanischen Staat rund 800.000 Tutsi und gemäßigte Hutu ums Leben. In vielen Orten suchten damals bedrohte Tutsi Zuflucht in Kirchen und Pfarrzentren. In den vergangenen Jahren waren in Ruanda und in Belgien mehrere Priester und Ordensleute wegen angeblicher Mitwirkung an Massakern angeklagt und zum Teil verurteilt worden.

Rolle der Kirche

Beobachter erwarten, dass die Befragung des Erzbischofs vor einem der seit Jahresbeginn eingerichteten Volksgerichte in Ruanda die Debatte über die Rolle der Kirche während des Völkermords neu entfachen wird. Die derzeitigen Machthaber in Kigali stehen zum größten Teil der katholischen Kirche ablehnend gegenüber. Hochrangigen Kirchenvertretern werden systematisch enge Verbindungen mit den Drahtziehern der generalstabsmäßig durchgeplanten Massaker von 1994 vorgeworfen. Der Vatikan hat zur Kenntnis genommen, dass einzelne Kirchenleute an Verbrechen beteiligt waren, lehnt eine pauschale Verurteilung aber ab.

Das System der Volksgerichte in Ruanda wurde 2002 auf den Weg gebracht, um die offizielle ruandische Justiz zu entlasten. Mehr als zehn Jahre nach dem Völkermord ist nur ein geringer Teil der Verdächtigen abgeurteilt. Nach Schätzungen sind derzeit immer noch mehr als 80.000 Tatverdächtige in Haft. Beobachter rechnen damit, dass durch die Verfahren auch mehrere hunderttausend "kleine Täter" entdeckt werden, die Hinweise an die mordenden Hutu-Milizionäre gaben, plünderten oder sich selbst an den Morden beteiligten. (APA)