Die Schmiergeldaffäre bei Infineon rückt anstehende Strategieentscheidungen bei dem deutschen Chiphersteller stärker ins Rampenlicht. Wenn der Konzern am Dienstag Quartalszahlen präsentiert, dürfte die Bilanz in den Hintergrund treten, zumal Experten ohnehin mit schlechten Zahlen rechnen. Das Augenmerk der Investoren und Analysten richtet sich vielmehr vor allem auf die Zukunft der Speicherchip-Sparte, nachdem der für den Bereich zuständige Konzernvorstand Andreas von Zitzewitz vor einer Woche zurückgetreten war.

Zitzewitz war ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten. Er steht im Verdacht, für die Vermittlung von Werbeverträgen für Motorsport-Veranstaltungen Schmiergelder erhalten zu haben.

"Ich bin sehr besorgt", sagte Uche Orji, Analyst bei JP Morgan. Zitzewitz sei jemand, "der eine wichtige Rolle in Punkto Technologie gespielt hat". Erst vor kurzem hatte Infineon die Produktion von Speicherchips auf die engmaschigere 90-Nanometer-Technologie umgestellt. Damit sollen die Produktionskosten verringert werden. Die spielen bei Chipherstellern eine entscheidende Rolle, weil der Wettbewerb der Branche im wesentlichen über den Preis der Bausteine läuft.

Dieses Jahr sind die Preise bisher um 35 bis 40 Prozent in den Keller gegangen. Derzeit stabilisieren sie sich wieder, weshalb Branchenvertreter und Analysten für den Rest des Jahres wieder etwas optimistischer gestimmt sind. "Es ist aber immer noch eine Phase des Abschwungs", gab ein Analyst zu bedenken.

Mit der Umstellung auf die 90-Nanometer-Technologie verringerte Infineon nicht nur seine Produktionskosten, sondern auch den Technologie-Rückstand auf den Konkurrenten Samsung. Sollte die Suche nach einem Nachfolger für von Zitzewitz aber länger dauern, laufe Infineon Gefahr, diesen Vorteil wieder abzugeben, sagte Analyst Theo Kitz von Merck Finck. "Derzeit hat Infineon einen Rückstand von drei bis vier Monaten auf Samsung. Ohne Chef könnte sich das wieder auf sechs Monate ausweiten", ergänzte er. Nach dem Rücktritt von Zitzewitz' hat Infineon-Chef Wolfgang Ziebart zunächst selbst das Ruder bei der Speicherchipsparte übernommen. Rund 40 Prozent des Umsatzes macht Infineon mit DRAM-Speicherchips.

Neben Informationen zum Nachfolger von Zitzewitz' erhoffen sich die Analysten auch Aussagen zu einer möglichen Abspaltung der Sparte. Bevor die Affäre um von Zitzewitz bekannt wurde, war aus Branchenkreisen verlautet, dass Infineon einen Börsengang der Speicherchip-Sparte ins Auge fasse und damit vor einer grundlegenden Änderung der Konzernstrategie stehe. Der Abgang von Zitzewitz' könnte dieses Vorhaben nun deutlich verzögern, da ein erfolgreicher Börsengang ohne Chef schlecht zu realisieren wäre, sagen Experten. Infineon hat sich zu solchen Plänen offiziell noch nicht geäußert.

Mit Problemen kämpft Infineon auch bei den Handychips. Diese verhagelten dem Konzern - neben den gesunkenen Speicherchip-Preisen - im letzten Quartal die Bilanz. Eine weitere Frage wirft der Verkauf des defizitären Handygeschäfts des Großkunden Siemens an den taiwanischen Hersteller BenQ auf: Kann Infineon BenQ als Kunden halten? "Für Infineon hat das eine hohe Bedeutung", sagte Michael Bahlmann, Analyst bei M.M. Warburg. Infineon sieht den Verkauf bisher gelassen. BenQ kündigte aber bereits an, nur weiter bei Infineon zu bestellen, wenn der Preis stimme. 30 Prozent seines Handygeschäfts machte Infineon mit seiner ehemaligen Muttergesellschaft Siemens. Insgesamt stammt ein Viertel des Infineon-Umsatzes aus Chips für Mobiltelefone und Festnetze.

Für das dritte Geschäftsquartal (per Ende Juni) rechnen 15 von Reuters befragte Experten wegen der gefallenen Speicherchip-Preise mit einer Ausweitung des Verlustes vor Steuern und Zinsen (Ebit) auf 165 Mio. Euro von 117 Mio. Euro im zweiten Quartal. Wie im Vorquartal gehen die Analysten auch für den Berichtszeitraum davon aus, dass Infineon Einmalaufwendungen verbuchen wird. 20 Analysten rechnen ohne Berücksichtigungen der Einmalaufwendungen im Schnitt mit einem Verlust von 129 Mio. Euro.

Auch ein Verlust im Gesamtjahr wäre nach Ansicht der Analysten keine Überraschung mehr. Ziebart selbst hatte nach dem höher als erwartet ausgefallenen Verlust im zweiten Quartal den geplanten operativen Gewinn 2004/05 bereits in Gefahr gesehen. (reuters)