Wien - Nach einem starken ersten Halbjahr sehen die Kapitalmarkt-Experten der Raiffeisen Zentralbank (RZB) Osteuropas Aktienbörsen auch in der zweiten Jahreshälfte gut in Form. Chefanalyst Peter Brezinschek verwies heute, Montag, vor Journalisten auf einen gesicherten Wachstumsvorsprung im zentral- und osteuropäischen Raum gegenüber der Eurozone und weitere - noch zu erwartende - Zinssenkungsrunden. Seit Jahresbeginn haben die Ostbörsen bis Ende Juni zwischen 9 Prozent (Polen) und 35 Prozent (Ungarn) zugelegt.

Kräftiger Zuwachs für russischen Aktienmarkt

Neben Rumänien und Ungarn räumt Brezinschek aktuell dem russischen Aktienmarkt die besten Chancen auf kräftige Kursgewinne ein. In Russland sollte ein zumindest 7- bis 9-prozentiges Kurswachstum bis Jahresende 2005 den RTSI auf rund 820 Punkte hebeln. "Vor allem ein Überraschungseffekt bei den Gewinnen sollte dem Markt Auftrieb geben", meint Brezinschek. Denn allgemein werde für 2005 und 2006 auf Basis deutlich fallender Ölpreise mit zweistelligen Gewinnrückgängen gerechnet. Diese Einschätzung sei jedoch "zu pessimistisch". Positive Faktoren sieht Brezinschek neben einem anhaltend hohen Ölpreis in der höheren Gewichtung Russlands im MSCI EMF-Index (seit Juni), in der Stabilisierung des politischen Klimas und den Prognosen anhaltend hohen Wachstums.

Das geringste Kurspotenzial im laufenden zweiten Halbjahr bescheinigt Brezinschek dem tschechischen Aktienmarkt. Er sei mit Abstand am teuersten. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) sei mit 18,0 (ohne Erste Bank) vergleichsweise hoch und auch das Gewinnwachstum sei mit 5,9 Prozent relativ bescheiden, sieht der Experte nur mehr 3 bis 5 Prozent Kursplus auf 1.270 bis 1.280 Punkte im PX-50 Index bis Jahresende 2005. In Polen seien die Kurschancen beim WIG-20 mit 2.270 Punkten zwar höher. Aber die vorübergehende Zloty-Schwäche und politische Unsicherheit könnten Euro-Anlegern einen Strich durch die Rechnung machen, macht Brezinschek auf Risiken aufmerksam.

Freundlicher Trend auch für Ungarn

Von einem anhaltend freundlichen Trend geht der Experte für Ungarns Aktienmarkt aus. Von der Bewertung her gebe es bei einem KGV von 13,4 (2005) und 11,6 (2006) Spielraum nach oben. Zudem unterstreiche ein zweistelliges Gewinnwachstum (14,8 Prozent 2005 und 16,1 Prozent 2006) die positive Entwicklung. Bis Jahresende sollte der BUX noch die 21.000 Punkte-Marke übersteigen können, glaubt Brezinschek.

Noch im "Emerging Market Status" sieht Brezinschek Rumänien und Bulgarien, wenngleich mit den "markantesten Gewinnaussichten". Bankenprivatisierungen und der stetige Anstieg ausländischer Investoren sollten vor allem Rumänien in den nächsten zwei Jahren vermehrt zum Nutznießer von Südosteuropa-Investments machen.

Top-Empfehlung Lukoil

Als Top-Empfehlung hat Raiffeisen unter den Einzelwerten derzeit - bedingt durch das Umfeld für Öltitel - die russische Lukoil auf der Liste. Zum Kauf wird auch die rumänische Rompetrol Rafinare empfohlen (in Erwartung guter Halbjahreszahlen). "Interessant" erscheinen RCB-Analyst Stefan Maxian daneben russische Metalltitel wie Mechel und Norilsk Nickel sowie Aktien der Konsumbranche (vor allem der Saftproduzent Lebedyanky).

Im Telekom-Sektor bevorzugt Maxian nach wie vor die russischen Mobilfunkanbieter MTS und Vimpelcom, in Polen favorisiert er TPSA. In Russland könnten durch die Privatisierung der staatlichen Holding Svyazinvest auch Aktienwerte wie Rostelecom, Uralsyazinform und Sibirtelecom deutlich an Attraktivität gewinnen.

Blick auf dne Bankensektor

Die Top-Empfehlung im Bankensegment ist derzeit die tschechische Komercni Banka. Bei Banken könnte durch die geplante Fusion der BA-CA-Mutter HypoVereinsbank (HVB) mit der italienischen Großbank UniCredit eine neue Konsolidierungswelle in Zentral- und Osteuropa (CEE) eingeleitet werden, glaubt Maxian. Das Interesse an den restlichen Privatisierungen in Rumänien und Serbien sei sehr hoch. Südosteuropa (ebenso wie Russland und die Ukraine) gelte wegen des großen Aufholpotenzials im Privatkundengeschäft als Hoffnungsmarkt. (APA)