Bild nicht mehr verfügbar.

Am Montag wurde der Aldgate-Bahnhof wieder für den U-Bahn-Verkehr freigegeben. Viele Londoner mieden die Tube allerdings.

Foto: AP/Green
In Umfragen sprechen sich die Briten dafür aus, dass der Polizei alle Möglichkeiten im Antiterrorkampf zur Verfügung stehen sollen. Gleichzeitig sehen 85 Prozent einen Zusammenhang zwischen den Attentaten und dem britischen Engagement im Irakkrieg.

***

London - Scotland Yards Entscheidung, auch nach den tödlichen Schüssen auf einen schuldlosen Brasilianer die "Shoot to kill"-Order beizubehalten, wird von einer großen Mehrheit der Briten unterstützt. In einer Umfrage für den TV-Sender Sky News sprechen sich 85 Prozent der Befragten dafür aus, der Polizei alle Möglichkeiten bei der Terrorbekämpfung einzuräumen.

In einer Studie des Daily Mirror und des Fernsehkanals ITV unterstützen 71 Prozent die "Todesschuss"-Strategie. Überdies sind inzwischen 85 Prozent der Briten davon überzeugt, dass die Anschläge mit der Beteiligung ihres Landes am Irakkrieg zusammenhängen. Nach der ersten Attentatswelle am 7. Juli waren es noch 64 Prozent. Premierminister Tony Blair hatte eine solche Verbindung immer bestritten.

Die Londoner Polizei habe große Sorge, dass die verhinderten Selbstmordattentäter vom vergangenen Donnerstag erneut zuschlagen könnten. Deshalb herrsche höchste Alarmbereitschaft, berichteten indes die Times und die BBC. Scotland-Yard-Chef Sir Ian Blair sprach von einem "Wettlauf gegen die Zeit". Gesundheitsministerin Patricia Hewitt sagte, die Briten lebten nun in einem "permanenten Terrorzustand". Die bewaffneten Zivilfahnder in den U-Bahnen wurden verstärkt.

Die Polizei hält es für möglich, dass am Donnerstag insgesamt fünf Selbstmordattentäter U-Bahnen und Busse explodieren lassen wollten. In einem Gebüsch in einem Londoner Park fand die Polizei eine fünfte Bombe, deren Sprengstoff nach Medieninformationen mit dem der vier anderen Bomben übereinstimmt.

Möglicherweise habe ein fünfter Terrorist ebenfalls einen Anschlag geplant, dann aber nicht ausgeführt, berichteten die Medien. Die Polizei glaube nicht, dass die Terroristen das Land verlassen hätten. Nach Informationen der Times stammen die Täter aus Ostafrika und sind möglicherweise bei Komplizen untergetaucht. Die Polizei lehnte dazu jeden Kommentar ab. Drei Verdächtige befanden sich am Montag weiterhin in Haft. Was ihnen konkret vorgeworfen wurde, blieb zunächst unklar.

Klage gegen Polizei

Unter Berufung auf Polizeiquellen wurde auch berichtet, Scotland Yard sei enttäuscht darüber, drei Tage nach der Veröffentlichung von vier Fahndungsfotos immer noch keinen der Täter gefasst zu haben. Demoralisierend wirke sich die Erschießung des 27-jährigen Brasilianers Jean Charles de Menezes aus, den Polizisten irrtümlich für einen Selbstmordattentäter gehalten hatten. Die Familie des Brasilianers erwägt, die Londoner Polizei zu verklagen. Es gelte zu verhindern, dass die Polizei weiterhin unschuldige Menschen ungestraft erschießen könne, erklärte ein Cousin von Jean Charles de Menezes am Montag im BBC-Fernsehen.

Der U-Bahnhof Aldgate im Osten Londons wurde am Montag wieder geöffnet. Dort hatte ein Attentäter am 7. Juli sieben Fahrgäste mit in den Tod gerissen. Vier Täter hatten sich damals in Luton auf den Weg gemacht, um ihre Bomben in London zu zünden. Insgesamt kamen bei dieser Anschlagsserie 56 Menschen ums Leben. (AP, dpa, Reuters/DER STANDARD, Printausgabe, 26.7.2005)