Solidarität
Unterschriftenaktion für Gertraud Knoll
Eisenstadt - Die Berggasse in Eisenstadt ist ein stiller Straßenzug, der steil hinaufführt ins Leithagebirge. Die Vorgärten mühen sich eifrig, dem Bild zu entsprechen, das Faust von seinem Osterspaziergang mitgebracht hat. Primel und Narzissen, Tulpen und Himmelschlüssel, weiße Kirschen und rosa Pfirsiche, und in dem kleinen Garten auf Nummer 16 blüht ein prächtiger Magnolienbaum. Die Karwoche beginnt, und in dem kleinen Haus hinter dem Magnolienbaum sitzt eine Frau, die Ostern in einem Zustand erlebt, den sie und ihre Kirche als "Sonderurlaub" umschreiben. "Es ist grotesk", meint Gertraud Knoll, "dass die Superintendentin gerade jetzt nicht in ihre Gemeinden kann." Aber sie wolle es niemandem antun, dass der Gottesdienst gestört werden könnte, weil sie daran teilnimmt. Gertraud Knoll bemüht sich, solchen Dingen die emotionale Schärfe zu nehmen. Nachdenklich, beinahe zögerlich, beschreibt sie die Kampagne gegen sie, den "Versuch, mich wegzumobben". Aber ganz kann sie die Schrammen nicht überspielen, die ihr die Kampagne der "Plattform" geschlagen hat. "Das Wesen einer Kampagne ist ja, dass nicht öffentlich und sachlich geredet wird." Erst durch ihren spektakulären Schritt erfuhr die Öffentlichkeit über den anonymen Terror. "Die mediale Aufmerksamkeit hat mir geholfen, seither haben die Bedrohungen schlagartig aufgehört." Konfliktmanagement Jetzt wird das öffentliche Reden zu einem Hauptanliegen. Ein professionelles Konfliktmanagement wird die aktuelle Konfrontation im Burgenland in die Hand nehmen. Aber das Aktuelle, das persönlich gegen sie Gerichtete sei ja nur der Ausdruck eines thematischen Konflikts, der viel tiefer reiche. Und über dem immer noch schmerzhaft der Schatten des Nationalsozialismus liege, dem sich die Kirche in Österreich - anders als in Deutschland - immer wieder zu entziehen versucht hat, statt sich ihm zu stellen. Konflikt und Streitkultur: Das sind Begriffe, die Gertraud Knoll gerne verwendet. Nicht nur, weil sie eine persönliche Abneigung gegen diese "Beschwörung der Einigkeit" hat, dem inhaltlich so belanglosen "seid lieb zueinander". Der Konflikt ergebe sich logisch aus dem Evangelium und der Verpflichtung, es zu verkünden. Und weil es nicht sein kann, dass man sagt, "der Raum am Sonntag ist ein ganz anderer als der am Montag", ist das auch eine politisch Sache. Denn es gibt eben die Bergpredigt, in der Jesus unmissverständlich erklärt habe: "Die Freunde zu lieben, das tun die Heiden auch. Der Nächste: Das ist immer der andere, der Fremde." Das habe sie zu verkünden. Bei der Gedenkfeier für die ermordeten Roma in Oberwart vor einigen Wochen etwa, wo sie gesagt hat, die Hintergründe des Verbrechens mögen aufgeklärt sein, der Geist, der dahintersteht, sei aber in mehr Köpfen, als der menschliche Anstand vertrage. "Zwei Tage später stand auf der Parlamentshomepage der Freiheitlichen, dass ich gegen die FPÖ hetzte." Ein wenig müde wirkt sie, wenn sie das erzählt. Aber Müdigkeit kann sichtlich auch kämpferisch machen, denn sie meint auch: "Es ist doch schön, dass meine Predigten verstanden werden. Den ,Kirchenschlaf' muss ich zumindest nicht fürchten." Und draußen vorm Haus blüht der alte Magnolienbaum, der in ein paar Tagen damit anfangen wird, seine großen Blütenblätter abzuwerfen. Als eine Erinnerung an den Herbst, mitten im prallen Frühling. Wolfgang Weisgram für Der Standard