Geschlechterpolitik
Die Finanzministerin der Familie
Vor dem Kapital sind zwar alle gleich, Banken entdecken trotzdem die Frau als Zielgruppe
Wien - Vor den Kapitalmärkten sind alle gleich. Sie nehmen keine Rücksicht auf das
Geschlecht der Investoren und diskriminieren keinen Marktteilnehmer. Dennoch rentiert es sich
für Banken und Versicherungen, Frauen speziell auf Geldanlage anzusprechen.
Informationsabende zum Thema Frauen und Finanzen sind gut besucht - und bringen neue
Kunden für Fonds und Versicherungen.
Um die weibliche Zielgruppe aus der Reserve zu locken, geben einige Banken und
Versicherungen eigene Frauen-Prospekte heraus, auch wenn sich die Produkte nicht von
denen für Männer unterscheiden. Hubertus von Schrottenberg, Geschäftsleiter der
österreichischen Gebietsdirektion des Deutschen Herold, geht noch weiter: Er bietet nicht nur
eine spezielle Broschüre, sondern gleich eine ganze Veranstaltungsreihe für Kundinnen. In
diesen Seminaren hören die Gäste einerseits allgemeine Fachinformationen über
Investmentfonds und Lebensversicherungen, andererseits aber auch einen Vortrag von Sabine
Lintschinger, Autorin des "Karrierehandbuch für Frauen". Ihr Beitrag stellt auf die typische
Situation von Frauen ab. Typisch ist für die Lage der Frauen, dass sie weniger verdienen und
schon alleine aus diesem Grund im Alter eine geringere Pension bekommen.
Vorsorge-Planung
Derzeit beträgt die durchschnittliche Pension von weiblichen Angestellten 11.979 Schilling pro
Monat, bei Männern sind es 20.028 Schilling. Lintschinger zeigt, wie man eine geeignete
Finanzstrategie entwickelt. Sie präsentiert dazu einen Fragenkatalog, anhand dessen sich die
Seminarteilnehmerin über ihre Ist-Situation und ihre Wünsche Klarheit verschaffen kann.
Nicht nur die Versorgungslücke sei der Grund für das gezielte Ansprechen der weiblichen
Bevölkerungshälfte. Es gäbe auch immer mehr Frauen, die gut verdienen. Genau diese
begüterten Frauen sind es, die die Bank Vontobel AG in der Schweiz schon seit rund zehn
Jahren zu ihren Frauen-Veranstaltungen einlädt. "Vor rund zwei Jahren haben wir damit auch
in Österreich begonnen", erklärt Georg Wallentin, Leiter des Private Banking der Bank
Vontobel AG in Wien: "Der Zuspruch ist enorm. Fast 100 Prozent der Eingeladenen kommen
tatsächlich zu den Seminaren."
Frauen fragen mehr
Frauen verhielten sich bei diesen Informationsabenden anders als Männer, meint Wallentin:
"Sie stellen mehr und detailliertere Fragen und bestehen darauf, eine Antwort zu bekommen,
die sie wirklich verstehen", erklärt Wallentin. "Wir haben mit frauenspezifischem Marketing
begonnen, weil uns aufgefallen ist, dass wesentlich weniger Frauen zu unseren
Kundenseminaren kamen. Dabei wussten wir aus einer Studie, dass sie oft die Finanzminister
der Familie sind."
Eine weitere kleine Privatbank bietet in unserem Land Finanz-Seminare nur für Frauen an.
Sylvia Denkstein, Leiterin der Beratung für Privatkunden im Bankhaus Karl Spängler, freut sich
dabei ebenfalls über eine Rücklaufquote von fast 100 Prozent. Inhaltlich unterscheiden sich
die angebotenen Veranstaltungen jedoch nicht von denen für Manager oder Steuerberater.
Doris Hummer
für
Der Standard