Robert Menasse und Agnes Husslein haben einen Volltreffer gelandet. Die Museumsdirektorin, weil sie einer in Kulturfragen schwächelnden Landeshauptfrau die Show gestohlen hat, der Schriftsteller, weil er - polemisch - auf einen Widerspruch in der (dem internationalen Trend folgenden) österreichischen Politik hingewiesen hat: den Widerspruch zwischen wachsendem Reichtum und propagiertem Sparzwang.

Einer der Sektionschefs am Wiener Minoritenplatz hat Menasse postwendend die Verwendung falscher Zahlen vorgeworfen. Immerhin war in den letzten Tagen laufend von 170 Millionen zu hören, die den Unis (wann immer) fehlen. Und jene Rektoren, die von einer skandalösen Unterdotierung ihrer Schulen berichten, mögen vor der Ministerin anders reden als in der Öffentlichkeit. Lügner sind sie allesamt wohl nicht. Und die Trümmer, von denen Menasse spricht, können folgerichtig als Zwischenbefund auf dem Weg zur "Weltklasse" gelten.

Illustrieren wir diesen Befund mit der Debatte um den Nationalen Forschungsplan (bis 2010). Nach derzeitigen, heftig umstrittenen Vorstellungen sollen die Forschungsausgaben der Universitäten selbst zwar von 1,29 auf 1,81 Milliarden Euro steigen, prozentuell jedoch von 24,2 auf 21 Prozent am Gesamtkuchen sinken. Der Unternehmenssektor wird von 3,3 auf 5,5 Milliarden oder von 62,3 Prozent auf 64 Prozent bis 2010 steigen.

Die ironisch und polemisch gemeinte Frage: Von wo holt sich die im selben Zeitraum zu finanzierende Eliteuniversität ihre Postgraduate-Studenten? Aus den unterdotierten Unis, die zwar "unabhängig" sind, aber weder Grundstücke noch überflüssige Gebäude verkaufen dürfen? Die auch mit Werbemitteln und Inseraten kräftig sparen müssen?

Wie schaut es auf der anderen Seite aus? Die (hohe) Kunst und damit auch die Salzburger Festspiele leben teils von Gewinnen, die man im Rahmen moderner Sponsoringstrategien in kleinen Happen in Kulturprojekte investiert. Mammon & Co sollen in Salzburg ruhig 170 Millionen "verkonsumieren", weil sie Anna Netrebko sehen möchten. Und weil es, unabhängig davon, diese auf die Spitze artifizieller Möglichkeiten getriebene Kunst legitimerweise gibt und geben soll. Wo ist also der Widerspruch?

Er tritt auf, wenn die hochmögenden Besucher der Felsenreitschule (Industrielle, Manager, Politiker) den Universitäten eine aufwändige Inszenierung und das Engagement von Stars de facto verweigern, weil sie die heimischen hohen Schulen ständig schlechtreden und ansonsten die technischen und naturwissenschaftlichen Fächer so forcieren wie seinerzeit die Jesuiten die Theologie und die Metaphysik.

Damals, im 16. und 17. Jahrhundert, waren gottesfürchtige und rechtgläubige Jünglinge gewünscht. Heute wollen wir effiziente Studenten (und sogar Studentinnen!), keine destruktiv-kritischen, wie sie durch das Humboldt'sche System und dessen Mutanten zunehmend produziert wurden. Wir brauchen kooperationswillige junge Absolventen, keine lästigen Frager, die von der Philosophie auch noch ideologisches Unterfutter geliefert bekommen. Ist Konformität nicht der Sinn moderner, wirtschaftsorientierter Gesellschaftspolitik?

In den Sechzigerjahren hat man gemeint, dass man alle Lebensbereiche mit "Demokratie durchfluten" könne. Das ging nicht. Die Kunst war eines der Phänomene, die nicht demokratisierbar sind. Heute meint man, Kunst- und Bildungswelten ökonomisch "durchfluten" zu müssen. Alles soll sich rechnen.

Auch das ist ein Irrweg.

Menasse hat vom Mönchsberg Widerworte geredet und den Minoritenplatz gegen sich aufgebracht, wo die "schwarzen Franziskaner" zu Hause sind. Frei gewählte Armut ist deren Leitgedanke.

Sie ist im Gegensatz zur erzwungenen ein produktives Modell. Der Finanzminister freilich, ein großer Player in diesem Spiel, sitzt an der Himmelspforte. Und bestimmt über jene Mittel, die die Forschungswelt ausmachen. (DER STANDARD, Printausgabe, 27.07.2005)