Im amerikanischen Kabelkanal FX kämpfen ab Mittwoch Soldaten einen überaus brutalen Irakkrieg. Nie zuvor war ein aktueller Kriegsschauplatz Thema einer Unterhaltungsserie.

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Ein Kind überquert die Straße, wird von einer Granate zerfetzt. Einem Iraker wird die obere Körperhälfte weggeschossen, seine Beine laufen ein kurzes Stück ohne Oberkörper weiter. Nur wenige Wochen zuvor verabschiedete sich der junge Bo von seiner Freundin, um am nächsten Morgen in den Irakkrieg zu ziehen. Die Soldaten feuern aus Erdlöchern auf irakische Rebellen. Daheim in Amerika leben ihre Angehörigen ihr vergleichsweise ereignisloses Leben weiter.

Szenen aus der Serie Over There (zu deutsch: Dort drüben), die heute, am Mittwoch, Abend im amerikanischen Kabelkanal FX startet und ein Novum in der Geschichte des US-Fernsehens darstellt: Noch nie war ein aktueller Kriegsschauplatz Thema fiktionaler Unterhaltung. Anders als etwa in M.A.S.H. oder Ein Käfig voller Helden kämpfen die Soldaten in einem Krieg, in dem im "wirklichen Leben" tatsächlich täglich Menschen grausam sterben.

Foto: FX
In der US-Serie "Over There" mit Nicki Aycox.

Schlägt nun die Stimmung in den USA gegen den Krieg um, wenn gar die Filmindustrie ihre Gefolgschaft versagt? Allem Anschein nach nicht, denn Steven Bochco, Erfinder von Over There, will offiziell nicht Stellung beziehen: "Ich mache keine Politik, ich erzähle eine Geschichte." US-Medien sehen Over There auch eher als Soapopera im Kanonenhagel.

Bochco spielt mit den Klischees: Unter den Soldaten finden sich die Prototypen des Genres. Der Hartgesottene, der Tapfere, der Collegeboy, das Greenhorn. Zwischen den überaus brutalen Kampfszenen schafft er Platz für hintergründige Dialoge über Rassenfragen und was es bedeutet, einen Feind zu bekämpfen, der bereit ist zu sterben.

Foto: FX
Die Szenen werden mit ungeheurer Brutalität dargestellt.

Wohlwollend sind die Kritiken der US-Medien: Over There zeichne ein Bild des Krieges, das in vielerlei Weise "stringenter, genauer und ernsthafter" sei, als es TV-Zuseher am FX-Schwesternkanal, dem Nachrichtensender Cable News Net zu sehen bekämen, schreibt etwa Variety.

Aus vermeintlich Unpolitischem politische Aussagen zu treffen funktionierte mit Bochcos legendärer Serie NYPD Blue schon einmal: Das permanent gewalttätige Klima der Großstadt wurde vor dem Hintergrund familiärer Dramen der ermittelnden Cops aufgerollt. Auch hier zu Lande mit großem Erfolg. (Doris Priesching/DER STANDARD; Printausgabe, 27.7.2005)