Mit seinen 68 Jahren hat der auf Lebenszeit gewählte italienische Zentralbankchef Antonio Fazio schon mehrere Krisen überwunden. Nun scheint es dem Superkatholiken Fazio, seit zwölf Jahren an der Spitze der Banca d'Italia, an den Kragen zu gehen. Die Mailänder Staatsanwaltschaft hat unsaubere Methoden beim Übernahmeangebot der Banca Antonveneta festgestellt.

Fazio habe angeblich von den geheimen Absprachen des italienischen Bieterkonsortiums Kenntnis gehabt und dieses noch gefördert. Damit habe er das italienische Wertpapierrecht verletzt. Selbst die Beschäftigten der römischen Nationalbank, die Gewerkschaften, fordern seinen Rücktritt.

Die Ironie des Schicksal will, dass Fazio, der bisher die Glaubwürdigkeit des italienischen Kreditsystems zu seinem Lebenszweck machte, zum Imageverlust der Banca d'Italia beizutragen droht. Als Vater von fünf erwachsenen Kindern hatte Fazio wenig Hobbys.

"Von der Kirche zum Palazzo Koch (Sitz der Banca d'Italia) und dann gleich nach Hause", so wird sein Tagesablauf beschrieben. Zwar ist der Volkswirt und am Massachusetts Institute of Technology bei Nobelpreisträgern wie Paul Samuelson und Franco Modigliani ausgebildete Fazio ein hervorragender Wirtschaftswissenschafter. Ihm fehlen aber Charisma und politisches Feingefühl.

Diese hatte sein Vorgänger und jetzige Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi in Hülle und Fülle. Fazio, der in die Fußstapfen Ciampis trat, wurde stets an seinem Vorgänger gemessen und machte dabei keine "bella figura". Die Jahresversammlungen der Notenbank, einstiger Höhepunkt des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens in Rom, wurden zu reinen Vorlesestunden. Fazios politische Ambitionen scheiterten.

Der machtbewusste Gouverneur kann sich dem Wandel der Zeit nicht anpassen. Trotz der Europäischen Zentralbank und trotz der dadurch eingeschränkten Bedeutung denkt die Notenbank nicht daran, Filialen zu schließen oder Personal einzusparen. "Wer sagt es Fazio, dass wir im Zeitalter der EZB leben?", wird gespöttelt.

Auf internationale Kritik stieß Fazio auch im Parmalat-Skandal, dem größten Finanzbetrug Europas. Ihm wurde vorgeworfen, seiner Rolle als Aufseher der Bankenaufsicht nicht nachgekommen zu sein. Beim Skandal um die einstige Banca del Salento mit ihren fragwürdigen Finanzprodukten wurden ihm das sehr viel schwerer wiegende Vergehen der Begünstigung von Betrug vorgeworfen.

Bisher gelang es Stehaufmännchen Fazio stets, sich reinzuwaschen. Regierungschef Silvio Berlusconi hielt ihm die Stange. Im jüngsten Skandal um die Zentralbank verhält sich Berlusconi still. Beobachter deuten dies als Signal, dass der Sturz Fazios nur noch eine Frage der Zeit sei. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.07.2005)