Es ist gerade erst zwei Monate her, dass Dieter Zetsche - gefragt, ob er seine Zukunft eher in den USA oder in Deutschland sehe - eine diplomatische, aber doch viel sagende Antwort gab. "Ich lebe in zwei Welten", erklärte der Chrysler-Chef. Für seine weitere Karriere formulierte er nur einen Wunsch: "Eine spannende und herausfordernde Aufgabe zu haben."

Genau diese bekommt er am 1. Jänner 2006. Der Posten des Vorstandsvorsitzenden von DaimlerChrysler wird nach dem Rücktritt von Jürgen Schrempp vakant. Also packt Zetsche in Detroit seine Koffer und kehrt nach Deutschland zurück, um von Stuttgart aus die Geschicke des Konzerns zu lenken, der in den vergangenen Jahren für so viele negative Schlagzeilen gesorgt hat.

Seit Jahren schon gilt der 52-Jährige mit dem markanten Schnauzbart als Kronprinz Schrempps - wenngleich sich auch der neue Chef der Mercedes-Pkw-Sparte, Eckhard Cordes, eine Zeit lang Hoffnungen auf die Schrempp-Nachfolge machen durfte.

In den USA, am Firmensitz Auburn Hills unweit von Detroit, hat Zetsche, der 1953 als Sohn deutscher Eltern in Istanbul geboren wurde, gezeigt, dass er ein mehr als angeschlagenes Unternehmen wieder auf die Straße des Erfolgs führen kann. Im November 2000, rund eineinhalb Jahre nach der Fusion von Daimler und Chrysler, wurde Zetsche von Schrempp mit dem Auftrag, beim schlingernden Chrysler das Steuer herumzureißen, über den Atlantik geschickt. Zetsche war der erste Nichtamerikaner an der Spitze von Chrysler - dementsprechend schlug ihm zunächst einmal das Misstrauen der US-Belegschaft entgegen.

"Die Leute haben gedacht, sie würden Adolf Hitler bekommen", meinte der US-Autoexperte David Cole einmal, "aber dann ist Martin Luther erschienen." Zwar musste Zetsche bei der Daimler-Tochter ein beinhartes Sanierungsprogramm durchziehen, dabei zehntausende Stellen streichen, Werke schließen und die Preise der Zulieferer drücken. Dennoch schaffte er es, die Belegschaft so zu motivieren, dass deren Produktivität anstieg. Seit 2003 schreibt Chrysler wieder schwarze Zahlen. Zetsche isst immer noch mit den Arbeitern in der Werkskantine Kartoffelsalat.

Seine Beschreibung eines harten Sanierers klingt so: "Ehrlich sein und alle Beteiligten klar informieren, was das Ziel ist und welche Schritte nötig sind, es zu erreichen. Dann muss er diesen Weg konsequent gehen." Den Betrieb kennt der dreifache Vater gut: Er kam schon 1976 als Ingenieur zur damaligen Daimler-Benz AG. Dem US-Lastwagenhersteller Freightliner verordnete er 1991 ebenfalls ein Sparprogramm. Dass er gut Brände löschen kann, zeigt auch eine Urkunde der Feuerwehr von Auburn Hills. Sie hat Zetsche zum Ehrenfeuerwehrmann ernannt. (Birgit Baumann, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.7.2005)