Ist er das gefürchtete Superhirn? Zog er bei den Londoner Attentaten die Fäden? Oder wusste er gar nichts davon? Seit sechs Jahren ist Harun Rashid Aswat auf der Flucht, taucht einmal in Afrika auf und dann wieder in Asien, der personifizierte Beweis, wie global islamistische Fanatiker inzwischen agieren.

Das erste Foto, das veröffentlicht wurde, zeigt ihn in der Kluft der Taliban, der steinzeitreligiösen Koranstudenten, die Afghanistan von 1996 bis 2001 regierten. US-Ermittler glauben, dass der Brite irgendwann in dieser Zeit in einem Trainingscamp den Umgang mit Waffen und Sprengstoff erlernte, Osama Bin Laden traf und zur Al- Kaida stieß. Glaubt man der Londoner Times, dann reist Aswat seit sieben Jahren um den Globus, um Kontakt zu den einzelnen Zellen des Netzwerks zu halten - unter diversen Pseudonymen, mit häufig wechselnder Frisur.

Jetzt wurde der 31-Jährige in Sambia verhaftet. Dorthin war er aus Südafrika geflohen, wo er zuletzt gelebt hatte. Zuvor war er den Fahndern angeblich schon in Pakistan ins Netz gegangen. Doch der vermeintlichen Festnahme folgten rasche Dementis, es schien fast so, als sei der Vielreisende nur ein Phantom.

Dabei war der Mann sehr schnell ins Fadenkreuz westlicher Geheimdienste geraten. Einen der vier Selbstmordattentäter, die am 7. Juli in London drei U-Bahn-Wagons und einen Bus in die Luft sprengten, soll er vorher auffallend oft mit seinem Handy angerufen haben. Von bis zu 20 Telefonaten ist die Rede. Ende Juni soll Aswat im Nordseehafen Felixstowe britischen Boden betreten haben und wenige Stunden vor den Anschlägen wieder abgereist sein. Bei der Terrorabwehr gilt er als alter Bekannter. Vielleicht erklärt dies, dass er, in einer Art Automatismus, sofort als möglicher Drahtzieher genannt wurde.

Aufgewachsen ist er in Dewsbury, einer Kleinstadt bei Leeds, in derselben Ecke West Yorkshires, wo drei der vier Attentäter vom 7. Juli zu Hause waren. Aswats Eltern stammen aus Indien. In Batley, gleich neben Dewsbury, betreibt sein Vater Rashid einen Bädershop. Er habe, gab der Senior zu Protokoll, seinen Sohn seit zehn Jahren nicht mehr gesehen.

In der Londoner Moschee am Finsbury Park ging er Abu Hamza al-Masri zur Hand, einem radikalen Prediger, der aus Ägypten stammte und statt einer Prothese einen Fleischerhaken trug, nachdem eine Mine seinen Unterarm zerfetzt hatte. War Abu Hamza der Pate des Terrors, der Geistliche, der anstachelte, aber selbst weder Bomben bastelte, noch welche legte, übernahm Aswat die praktischen Dinge. 1999 soll er ein Trainingslager für Al-Kaida auf einer abgelegenen Ranch im US-Bundesstaat Oregon geplant haben. Seitdem haben die Amerikaner ihn im Visier. (Frank Herrmann/DER STANDARD, Printausgabe, 30./31.7.2005)