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Marek Kincl und Alex von Schwedler bei Duell im oberen Stock.

Foto:Reuters/Stringer
Salzburg - Ein Heimspiel von Red Bull Salzburg laugt aus. Es überfällt einen danach (eigentlich schon davor) das Gefühl, als wäre man im Morgengrauen gerade auf allen vieren aus einer Discothek gekrochen. Völlig zugedröhnt von der Musik, der Schädel brummt so laut, als hätte man eben das komplette Red-Bull-Racing-Team ausgesoffen. Ohne es gewollt zu haben, es wurde einem einfach eingeflößt. Immerhin ist es ein Beleg dafür, noch am Leben zu sein. Von einem Blick in den Spiegel ist freilich dringend abzuraten, man ist sich selbst nämlich ziemlich fern ("bin ich tatsächlich eine Getränkedose?"). Fairerweise muss erwähnt werden, dass sie vorm Stadion Ohrenstöpsel verteilen und auf mögliche gesundheitliche Schäden hinweisen.

"Das sind Vollidioten", sagte Bullen-Trainer Kurt Jara nach dem 0:2 gegen Rapid. Als prinzipiell fairer Sportsmann meinte er natürlich nicht die meisterlichen Kicker aus Wien, die hätten schlussendlich den Sieg "clever nach Hause gespielt". Jara sprach die Fans an, und zwar jene Minderheit, "die keinen Erfolg haben will, die destruktiv agiert". Er meinte die violett-weißen Hardliner, die mit den neuen rot-weißen Dressen samt Dietrich Mateschitz nicht zurechtkommen wollen.

In Salzburg ist jedenfalls eine neue Fußballkultur entstanden, es gibt auf den Tribünen drei Gruppen, obwohl auch dort nach wie vor nur zwei Teams gegeneinander antreten. Da sind einmal die Fans der Gastmannschaft (gewöhnlich das Feindbild), und dann gibt es die Salzburger und die Salzburger. Sie mögen sich nicht, die Polizei musste deshalb umdenken, das, was in der Schule gelehrt wurde, zählt elf. Es gilt nun nicht mehr zum Beispiel Rapid-Schlachtenbummler vor Salzburg-Anhängern zu schützen (oder umgekehrt), sondern Salzburger vor Salzburgern.

Der Dialog

Die Rapid-Ultras sympathisierten mit den Traditionalisten, sie zeigten das mittels Transparenten, es kam am Samstagabend zu schriftlichen Dialogen. Ultras, Rapid: "Stadionverbot für Mateschitz, Jara und Wiebach." Traditionalisten, Salzburg: "Danke für eure Solidarität." Ultras: "Guten Abend Red Bull, gute Nacht Fußball." Traditionalisten (applaudierend): "Geliebter Feind, danke."

Kurt Wiebach ist der Sportdirektor der Bullen, er widersprach seinem Trainer Jara ein wenig. "Vollidioten kann man nicht sagen. Sie leben in der Vergangenheit. Wir bauen aber eine gemeinsame Zukunft auf. Tritt der sportliche Erfolg ein, wird Ruhe einkehren." Josef Hickersberger wollte sich in die hiesigen Verhältnisse nicht einmischen, er sagte nur: "Eine sensible Angelegenheit. Tradition ist für viele wichtiger als der Erfolg. Würden sie bei Rapid das Grün aus der Klubfarbe nehmen, wäre der Bär los." Andererseits, so Hickersberger, müsse man sich der Tatsache bewusst sein, "dass ohne Red Bull der Klub Abstiegskandidat Nummer eins wäre".

Sie warten also auf den Erfolg. Von vier Partien haben die Salzburger drei verloren. Gegen Rapid geigten sie 30 Minuten lang auf. "Wir kannten uns überhaupt nicht aus, fanden keine Ordnung", sagte Rapids Steffen Hofmann später. Hickersberger scherzte: "Unsere Taktik war Täuschen und Tarnen."

Markus Schopp, Kapitän von Salzburg, war dafür verantwortlich, dass der Meister die Tarnkappe ablegen konnte. In der 32. Minute wurde er von Schiri Stefan Messner ausgeschlossen, Schopp hatte Marcin Adamski rüde attackiert. Sein schweres Foul unmittelbar davor an Peter Hlinka war nicht geahndet worden. Schopp: "Ich möchte mich bei der Mannschaft entschuldigen, das passierte im Übereifer." Jara: "Spielentscheidend." Er sagte, der Ausschluss sei auch ein Ergebnis der "hickersbergerischen Intervention" gewesen, der widersprach heftig: "So viel Einfluss hat der Herr Hickersberger nicht, das ist eine Überschätzung meiner Person." Marek Kincl und Andreas Ivanschitz schossen jedenfalls nach der Pause die Tore.

Die Aufgabe

Rapid verteidigt am Mittwoch das 6:1 gegen Düdelingen, Hickersberger schaut sich lieber Lok Moskau an, den wahrscheinlichen Gegner in der dritten Runde der Champions-League-Quali. Assistent Peter Persidis übernimmt das Coaching, er glaubt, dieser Aufgabe gewachsen zu sein.

Für Jara war das 0:2 "ein Schritt vorwärts. In der ersten halben Stunde waren wir bereits dort, wohin wir wollen". Und er verließ spät die Discothek. Zugedröhnt und genickt, aber doch aufrechten Ganges. (Christian Hackl, DER STANDARD Printausgabe 01.08.2005)