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"Mit der Psychoanalyse ist das so eine Sache ..." - Text: Hermann Hesse, 1928; Bild: Andy Warhol (Freud-Porträt, 1980, aus der berühmten Serie "Ten Portraits of Jews").

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Da ich das zweifelhafte Vergnügen hatte, als langjähriges einfaches Mitglied der Sigmund-Freud-Gesellschaft den unaufhaltsamen Aufstieg von Frau Mag. Scholz-Strasser zur "Direktorin, Vorstandsvorsitzenden" usw. mitzuerleben und dabei auch ihre einwandfreie taktische Geschicklichkeit bewundern durfte, denke ich, berechtigt zu sein, zu den wiederaufflackernden Auseinandersetzungen etwas zu sagen: Die wohlbekannte Hybris ("selbst ernannte Gralshüter", "belächelte Neidgenossen" etc.) und herablassende Anmaßung ("sollten sich verpflichtet fühlen") sind weiter nichts Neues.

Dass man eine "heftig diskutierte Therapieform" vor den sie ausübenden kleineren und zerstrittenen Neidgenossen schützen muss, ist allerdings beachtlich: Man kann sich vorstellen, wie zum Beispiel eine Art Custos im Petersdom die Touristen ersucht, den älteren, weiß gekleideten Herrn nicht weiter zu beachten, fühlt sich dieser Komiker doch zur Wahrung der reinen Lehre berufen. Vielleicht ist Frau Magister aber auch enttäuscht, dass Psychoanalyse eben keine mächtige Religion mit üppigem Spendenwesen, sondern nur eine lebendige Wissenschaft ist.

In der Stellungnahme der Frau Magister sind viele irgendwie tot oder schwach, S. Freud, die Psychoanalyse, und auch - last, but not least - der past president Prof. Leupold, auch so ein Analytiker und "Grandsegnieur" (?), der bei ihren hohen Ansprüchen nicht mehr mitkommt. Es erscheint bizarr und faszinierend, dass es einer einzelnen Person gelingt, eine - zumindest auch von den öffentlichen Krankenkassen anerkannte - Therapieform, mittels derer psychisch Kranke Hilfe für ihre Leiden suchen, in ein kulturphilosophisches Eck von allenfalls historischer Bedeutung zu drängen, in dem diejenigen, die diesen Kranken professionell zu helfen versuchen, eliminiert sind - all dies im Namen dessen, der diese Therapieform überhaupt erst entwickelt hat. Prim. Dr. Friedrich Heuss, 1090 Wien

Mit grellen Worten empört sich Dr. Leupold-Löwental im "Kommentar der Anderen" unter anderem über das Symposion "Batti, batti o bel Masetto", welches das Da Ponte Institut zusammen mit der Sigmund-Freud-Privatstiftung für das Mozart-Jahr 06 veranstaltet. Der Altpräsident der Sigmund-Freud-Gesellschaft unterstellt dort vulgäranalytische Deutung im Tagungskonzept, wo kulturgeschichtlicher Kontext und aktuelle Problemsicht von Don Giovannis Triebschicksal angeboten wird. Offenbar fürchtet sich der Psychoanalytiker in Leupold-Löwenthal vor der interdisziplinären Berührung mit anderen Wissenschaften, um seine ureigene nicht zu gefährden - eine Angst, mindestens so alt wie die Psychoanalyse. Sein Rundumschlag, der schlichtweg alle Veranstaltungen des Jubiläumsjahrs für Freud als "Events" vorweg entlarven möchte, setzt auf Zeit und steigert seine Metaphorik schier ins Unermessliche - immerhin habe die Psychoanalyse zwei Weltkriege und den Holocaust überlebt, schreibt er. Für Frau Scholz-Strasser und mich Anlass für eine wirkliche Herausforderung, dem befürchteten Populismus standzuhalten.

Zu Leupold-Löwenthals lautem Getöne nur ein Satz Sigmund Freuds: "Die Stimme der Vernunft ist leise."

Univ. Prof. Dr. Herbert Lachmayer, Kulturphilosoph, Vorstand des Da-Ponte-Instituts für Librettologie in Wien und Kurator der Mozart-Ausstellung 2006 in der Albertina

Die Häme, die die Direktorin der Sigmund-Freud-Privatstiftung über die Zunft der Psychoanalytiker ausgießt, wird nur schlecht von dem wohlwollenden, geradezu gönnerhaften Tonfall übertüncht, den sie ihrem ehemaligen Lehrer und Förderer Harald Leupold-Löwenthal in ihrer Antwort auf dessen Kritik am Programm der Stiftung für 2006, zugedacht hat. Beides ist unangemessen.

Dr. med. Bettina Reiter, Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, Psychoanalytikern und Herausgeberin der "Zeitschrift für psychoanalytische Theorie und Praxis", 1130 Wien Vorweg: Ich habe im Zusammenhang mit dem Sigmund-Freud-Jahr 2006 die Ehre, den großen, biografisch-dokumentarischen Film für den ORF, für arte, 3sat und weltweit weitere Interessenten als Autor und als Regisseur gestalten zu können. In diesem Zusammenhang habe ich (als Nichtpsychoanalytiker) während der Recherche und der ersten Dreharbeiten neben der faszinierenden Vita samt Umfeld des Sigmund Freud auch viel anderes und höchst Überraschendes kennen gelernt.

Abgesehen von der höchst kooperativen Wiener Freud-Stiftung, dem Berggassen-Museum und auch den Londoner Institutionen ist jenseits von wissenschaftlich-medizinischen Belangen aus dem angenehm-unvoreingenommenen Blick von außen Dreifaches festzuhalten:

  • Die gegenwärtig-weltweite Beschäftigung mit Freud hat weder eine Linie, noch ist sie einheitlich, ja oft in Gegnerschaften der eher seltsamen Art aufgesplittert. Das vom Autor verrissene Veranstaltungsprogramm für 2006 zeigt aber zumindest originelle Formen auf, sich über viele Selbstbespiegelungen der Nachfolgeschulen hinwegzuheben und - vor allem - vom Touch der Geheimwissenschaft wegzukommen.
  • Der Rundumschlag des Ex-Präsidenten offenbart ein wenig erschreckend, dass dieser von den jüngsten Ambitionen für 2006 gar keine Ahnung hat. Das, nur als Beispiel zu nennende und von ihm eingangs zitierte Mitwirken des österreichischen Bundespräsidenten bezieht sich tatsächlich auf ganz andere Projekte im internationalen Maßstab, welche schon in diesem Sommer nach ersten Verträgen anlaufen.
  • Zu meiner sehr häufigen Verblüffung gibt es vor allem im Bereich der biografischen, topografischen und die Person und das Umfeld (die oft ganz alltäglichen Einflussbereiche für Freud) betreffenden Forschung geradezu katastrophale Mängel, Lücken und über Jahrzehnte mitgeschleppte und weiterzitierte Fehler.

Allein schon bei Freud-Stätten und für ihn äußere Ausgangspunkte darstellenden Plätzen in Wien und halb Europa tradiert die von Herrn Leupold-Löwenthal geforderte "mehr Content statt Event"-Forschung manchmal Beschämendes. (Dass zudem sich die Hauptforschung auf schlecht übersetzte Quellen stützt und zumeist des Deutschen gar nicht mächtig ist, trägt zu Falsch-, Miss- oder Gar-nicht-Interpretationen nur noch mehr bei).

Er sollte bei einer so scharfen aktuellen Kritik zunächst einmal an Versäumnisse in seinen vielfältigen und jahrelangen Präsidentschaften denken.

Gleichviel. Ziemlich arg, degoutant und nicht mehr akzeptabel ist aber, dass der Autor (in Zeiten wie diesen oder unseres Bundesrates) seine Argumentation mit "Weltkriegen, Holocaust und NS-Zeit" zu untermauern versucht. Der Artikel ist schon aus diesem Grund rasch zu vergessen.

Otto Brusatti, Musikwissenschafter, 1040 Wien Präsentationen wie die im Programm für 2006 vorgestellten geraten tatsächlich leicht zur, wenn auch werbewirksamen und einträglichen, Karikatur des sperrigen, konfliktträchtigen und widersprüchlichen Gegenstandes Psychoanalyse, zumal, wenn sie sich der Glätte musealer Tourismusverträglichkeit verpflichten. Dass Psychoanalytiker hier Einspruch erheben, ist verständlich und - anscheinend -, leider notwendig.

Die Mitarbeit von Psychoanalytikern wäre in diesem Sinne vielleicht wirklich störend, und Frau Scholz-Strassers Attitüde, mit der sie Harald Leupold-Löwenthal und mit ihm die ganze Zunft in Wien mit Ratschlägen bedenkt, zeigt vielleicht noch einen verbliebenen Rest von Wissen darum.

Ich jedenfalls bin mir nicht sicher, ob es der Sigmund-Freud-Gesellschaft tatsächlich "zum Wohle gereicht" hat, dass sie sich von den Psychoanalytikern abgekoppelt hat.

Dr. phil. Walter Parth, Psychoanalytiker und Vorsitzender des Wiener Arbeitskreises für Psychoanalyse, 1190 Wien

Sehr geehrter Herr Dr. Leupold-Löwenthal, ohne auf weitere Passagen ihres "Kommentars der Anderen" einzugehen, möchte ich festhalten: Die ins Auge gefasste Ausstellung zu Sigmund Freud auf 23 Litfaßsäulen ist keineswegs ein neues Projekt. Es handelt sich um die Wiederaufnahme eines Projektes aus dem Jahre 1988, das ausdrücklich Ihre Zustimmung und Ihr inhaltliches Einverständnis hatte und an dem Sie selbst sogar aktiv mitgearbeitet haben. Gut erinnerlich ist mir die inhaltliche Abnahme des Ausstellungsmaterials mit allen Inhalten in Ihrer Wohnung in der Rotenturm- straße im Jahre 1988.

Frau Mag. Scholz-Strasser und ich durften Ihnen sämtlichen "Säuleninhalte" präsentieren, zu denen Sie (auch in der optischen Umsetzung) Ihre begeisterte Zustimmung erteilten. Leider wurde das für 1989 geplante Projekt nicht realisiert. Warum Sie es jetzt als populistisch ablehnen, leuchtet mir nicht ein.

Dr. Helmut Strutzmann, Eventagentur Multi Art, D-15366 Dahlwitz Die Hauptarbeit von Psychoanalytikern - die klinische Psychoanalyse - findet hinter geschlossenen Türen und unter Wahrung absoluter Diskretion statt. Die theoretischen Debatten werden hingegen öffentlich und mit Leidenschaft geführt und sind teilweise als berühmte Kontroversen in die Wissenschaftsgeschichte eingegangen. Leider scheint Frau Mag. Scholz-Strasser einen denunziatorischen Zugang zur Dokumentation dieser Debatten zu haben, die sie in ihrem Kommentar dazu missbraucht, die Psychoanalytiker - und hier insbesondere die heute in Wien tätigen - als engstirnige, neidige Streithanseln hinzustellen, die international belächelt würden. Verfügte sie selber über die in ihrem Kommentar von den Analytikern einforderte "Tugend des freien Blicks", würden sich auch ihr diese Dokumente als eine reiche Quelle für klinische und theoretische Erkenntnisse erschließen.

Dass diesen Debatten natürlich immer auch handfeste Rivalitäten zugrunde liegen, bringt die menschliche Natur mit sich. Sigmund Freud hat uns in dieser Hinsicht vieler Illusionen beraubt. Aber was motiviert wohl jemanden in der Position von Frau Mag Scholz-Strasser, die Analytiker und ihre wissenschaftlichen Organisationen als "Gralshüter" zu karikieren? In den Siebzigerjahren zahlenmäßig etwas erstarkt haben sich Psychoanalytiker gemeinsam mit anderen erfolgreich des Aufbaus eines Museums, der Bibliothek und eines Archivs in den ehemaligen Räumen Freuds in der Berggasse 19 angenommen und dort eine rege wissenschaftliche Tätigkeit entfaltet, an der an Psychoanalyse interessierte "Laien", Wissenschaftler anderer Provenienz und als Psychoanalytiker ausgebildete Experten zusammentreffen konnten. Da das meist auf ehrenamtlicher Basis geschehen musste und damit an allen Ecken und Enden an seine (finanziellen und organisatorischen) Grenzen stieß, wurde Mitte der Achtzigerjahre Mag. Scholz Strasser als Geschäftsführerin der SFG angestellt, um den operativen Teil der SFG auf professionellere Basis zu stellen.

Das alles ist nun alles lange her. Und Mag. Scholz Strasser mag inzwischen im operativen Bereich des Museumsbetriebes recht erfolgreich gewesen sein, sie war allerdings auch recht erfolgreich in der "Entkoppelung" der Berggasse 19 von den in Wien heute arbeitenden Psychoanalytikern.

Was Mag. Scholz-Strasser als Erfolg feiert, sieht so aus, dass sie die Einrichtungen der Berggasse inzwischen unter ihre Kontrolle gebracht hat und dort in Personalunion als Geschäftsführerin der Sigmund-Freud-Gesellschaft, Vorstandsmitglied derselben, Direktorin des Freud-Museums und Präsidentin einer unter recht diskussionswürdigen Umständen jüngst gegründeten Freud-Stiftung waltet. Sie hält es offenbar für einen Vorteil, dass Psychoanalytiker nicht mehr mitarbeiten.

Da inzwischen beträchtliche Summen an öffentlichen Geldern in die Berggasse fließen, ist es mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass dies allen möglichen Interessen dienen mag - der Psychoanalyse als einer der zentralen Wissenschaften vom Menschen kommen sie meiner Einschätzung nach zurzeit nicht zugute.

Dr. Christine Diercks, Psychoanalytikerin und Vorsitzende der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung

(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2. 8. 2005)