Was in seinem Königreich in den vergangenen Jahren geschah, hat König Fahd höchstwahrscheinlich nicht mehr mitgekriegt, auch wenn er fast bis zum Schluss im Rollstuhl ausländischen Besuchern vorgeführt wurde, die tapfer mit ihm "Konversation" betrieben.

Fahd bin Abdel-Aziz, der bereits 1996 nach einem Schlaganfall "vorübergehend" die Geschäfte an seinen jetzigen Nachfolger, seinen Halbbruder Abdullah Abdel-Aziz, übergeben hatte, war in seiner ganzen Hinfälligkeit dennoch eine wichtige Präsenz für Saudi-Arabien. Er war das Symbol des saudischen Aufstiegs, die 1980er-Jahre, zu deren Beginn, 1982, er an die Macht kam, waren aus heutiger Sicht die gute Zeit. Vielleicht gerade, weil er zuletzt nicht mehr mitgemischt hat, wurde er auch zu einem Symbol der Stabilität.

Gefährlicher Spagat

Deren äußerlich sichtbarer Verfall setzte unter ihm ein. Fahds Ausstieg aus der Tagespolitik fiel ungefähr mit den ersten schweren Anschlägen in seinem Land zusammen. Der fünfte König von Saudi-Arabien überdehnte den Spagat zwischen den Ansprüchen der saudischen Staatsdoktrin im Inneren - einer extrem konservativen, defensiven Ausprägung des Islam - und seiner Außenpolitik.

Dass er nach dem Überfall Saddam Husseins auf Kuwait im Sommer 1990 US-Truppen ins Land holte, mochte bei den meisten Saudi-Arabern noch angehen, wenn auch schon nicht mehr bei Osama Bin Laden, der Fahd angeboten hatte, das Königreich mit seinen "Afghanen" (Mudjahedin, die in Afghanistan die Sowjets bekämpft hatten) zu verteidigen. Dass der König den USA aber auch noch eine Stationierung in den 90er-Jahren erlaubte, brachte viele seiner Bürger gegen ihn auf: Schließlich handelte es sich um das Land der heiligsten Stätten des Islam, Mekka und Medina.

Viel saudisches oder saudi-arabisches Geld - Unterschiede zwischen Staats- und Familienvermögen sind fließend - ging dann bei großen Waffengeschäften in die USA, die sich damit die Kosten des Golfkriegs zurückholten.

Teil der Finanzwelt

Wobei die Saudis gewiss an ihren eigenen Ausgaben auch gut verdienten: Die herrschende Elite in Saudi-Arabien gehört zur internationalen Finanzoligarchie, ihr Netzwerk an Firmenbeteiligungen überspannt die ganze Welt.

Parallel zur Unzufriedenheit mit der Außenpolitik vieler Saudi-Araber veränderte sich in den 90er-Jahren auch die Gesellschaft. Plötzlich waren junge, leidlich gut ausgebildete Leute da, die Anstellungen brauchten. Der Staat, der früher alle versorgt hatte, war nicht mehr reich genug.

Obwohl dem 1921 Geborenen einer aus seiner eigenen Generation nachfolgt und in der Thronfolge ein weiterer Bruder, Verteidigungsminister Prinz Sultan, kommt, stellt Fahds Tod auch einen wichtigen Einschnitt in die Familiengeschichte dar. Fahd gehört zu den "Sudairi-Sieben", den sieben Söhnen, die sein Vater mit einer Sudairi zeugte. Die Mutter des neuen Königs Abdullah stammt hingegen aus dem Stamm der Shammar. Ob sich Rivalitäten zwischen den Clans verstärken werden, ist nicht klar, jedenfalls ist der jetzige Kronprinz wieder ein Sudairi: einer mit ehrgeizigen Söhnen.

Stamm, Clan, Familie

Die Komplexität der saudischen Familienbande zu erklären, die Beziehungen der verschiedenen Fraktionen in Stamm und Clan - wobei die Mütter zu einer erstaunlichen "Mächtigkeit" aufsteigen - zueinander und zu ihrer Klientel, das geht über die hier gegebenen Möglichkeiten heraus. Nur zur Illustration: Es gibt gut sechzig männliche Enkel von Fahds und Abdullahs Vater Abdel-Aziz, die alle potenzielle Player sind. (DER STANDARD, Printausgabe, 2.8.2005)