Sprachen sind Landkarten der Realität, und wie andere Landkarten bilden auch sie die Wirklichkeit unterschiedlich ab. Berühmt (und umstritten) ist die Behauptung des amerikanischen Sprachwissenschaftlers Benjamin Whorf, in den Eskimosprachen gebe es eine Vielzahl von Ausdrücken zur Bezeichnung des Schnees, die man in anderen Sprachen nicht findet.

Manchmal klaffen Lücken in den Landkarten – was auch schon auf das Missfallen der Philosophie gestoßen ist. Arthur Schopenhauer schreibt: "Bisweilen fehlt in einer Sprache das Wort für einen Begriff, während es sich in den meisten, wohl gar in allen anderen findet: ein höchst skandalöses Beispiel hievon liefert im Französischen der Mangel des Verbi ,stehn’" – dort muss "stehen" ja mit "etre debout" umschrieben werden. Aber auch im Deutschen gibt es da und dort Mangelerscheinungen.

Ein bekanntes Beispiel ist das Fehlen eines Wortes, mit welchem sich, analog zum Gegensatzpaar "hungrig" und "satt", der körperliche Zustand beschreiben ließe, wenn man seinen Durst gestillt hat. Es hat schon mehrfach Versuche gegeben, die Durstlücke zu stopfen, selbst die Dudenredaktion soll im Jahr 1999 an einem einschlägigen Wortschöpfungswettbewerb mitgewirkt haben (vgl. wikipedia.org).

Der Vorschlag "sitt", der damals – nach dem Muster von "satt" - aufkam, hat sich freilich als ebenso wenig erfolgreich erwiesen wie das Wort "schmöll", das bereits in den 70ern in die Debatte gebracht wurde. Vielleicht hat der Fortbestand der Lücke einfach damit zu tun, dass die Wörter nicht gut gewählt waren und es bessere Alternativen gäbe, um mitzuteilen, dass man nicht durstig ist?

PS: Wer allerdings nach Wörtern sucht, die ausdrücken, dass man über den Durst getrunken hat, kann im Deutschen aus dem Vollen schöpfen. Der Dichter Georg Christoph Lichtenberg hat vor mehr als zwei Jahrhunderten eine imposante Sammlung von Redensarten verfasst, "womit die Deutschen die Trunkenheit einer Person andeuten". Man findet sie unter http://gutenberg.spiegel.de