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Russischer Blindgänger in Grosny. Mit diesem Bild gewann der französische Fotograf Eric Bouvet den Bayeux-Preis für Kriegskorrespondenten 2000.

Foto: APA/epa/AFP/Eric Bouvet
"Das Hauptresultat des zweiten Tschetschenienkrieges liegt darin, dass er weitergeht", sagt einer der besten russischen Kaukasus-Kenner, Alexander Malaschenko vom Moskauer Carnegie-Institut, in der Zeitung Iswestija: "Wir gehen im Kreis: Schon wieder hört man Gespräche über die Notwendigkeit, das Problem nur mit militärischen Mitteln zu lösen. (...) Die jetzige Lage im Kaukasus ist offensichtlich schlechter als 1999. (...) Es ist nicht zu sehen, dass irgendwelche qualitativ andere Methoden zur Erlangung des Friedens angewandt werden."

Genau sechs Jahre, nachdem der zweite Tschetschenienkrieg mit dem Einmarsch tschetschenischer Rebellen in der Nachbarrepublik Dagestan losgetreten wurde, fällt der Befund ernüchternd aus. Kurz nach dem Rebellenüberfall kam damals Präsident Wladimir Putin an die Macht und positionierte sich als Mann, der das Tschetschenien-Problem mit Entschlossenheit lösen würde.

Inzwischen breitet sich der Konflikt auf Nachbarrepubliken aus, und eben erst hat man die Unterzeichnung des Vertrags zur Aufteilung der Machtkompetenzen zwischen der Teilrepublik und Moskau auf Spätherbst verschoben.

Morde, Entführungen

Menschenrechtler beklagen andauernde Morde und Entführungen, die sowohl von Rebellengruppen als auch von russischen Einheiten verübt werden. 2004 gab es 214 Terroranschläge, bis Ende April 2005 21 Anschläge und 40 bewaffnete Überfälle. Die Arbeitslosigkeit in Tschetschenien liegt bei 67 Prozent.

Wie der Konflikt in Russland wahrgenommen wird, hat nun eine Umfrage des unabhängigen Meinungsforschungsinstitut Lewada-Zentrum eruiert und dabei eklatante Unterschiede in der Einschätzung zwischen Volk und Staatsmacht festgestellt. Während nämlich der Kreml schon am 18. April 2002 "das militärische Stadium der Antiterroroperationen" für beendet erklärt hat, sind mehr als drei Jahre später 68 Prozent der Russen überzeugt, dass nach wie vor Krieg herrscht. Dazu kommt, dass sich nur ein Fünftel der Befragten für eine Fortführung der Militäroperationen ausspricht.

Wie Umfragen auch des näher zum Kreml stehenden Instituts FOM zeigen, glauben nur 28 Prozent der Bevölkerung an eine Normalisierung in Tschetschenien, 52 Prozent sehen keine Erfolgsaussichten; die Zahlen decken sich fast völlig mit denen von 1999.

Am deutlichsten wird der Pessimismus aber an einer andere Zahl: Laut Lewada-Zentrum sind 69 Prozent der Russen mehr oder weniger bereit, sich mit einer Abspaltung der Kaukasusrepublik abzufinden, lediglich 22 Prozent sind strikt dagegen.

Empfindlicher Kreml

Dass der Kreml auf die Publikation solcher Daten empfindlich reagiert, demonstrierte er im Vorjahr. Nachdem das damalige Institut VCIOM dokumentiert hatte, dass die Mehrheit der Bevölkerung für Verhandlungen in Tschetschenien eintritt, kam das Institut mittels Finanzkontrollen unter Druck und wurde letztlich in die Privatisierung und zum Namenswechsel – nunmehr Lewada-Zentrum – gezwungen. (DER STANDARD, Printausgabe, 3.8.2005)