Genau sechs Jahre, nachdem der zweite Tschetschenienkrieg mit dem Einmarsch tschetschenischer Rebellen in der Nachbarrepublik Dagestan losgetreten wurde, fällt der Befund ernüchternd aus. Kurz nach dem Rebellenüberfall kam damals Präsident Wladimir Putin an die Macht und positionierte sich als Mann, der das Tschetschenien-Problem mit Entschlossenheit lösen würde.
Inzwischen breitet sich der Konflikt auf Nachbarrepubliken aus, und eben erst hat man die Unterzeichnung des Vertrags zur Aufteilung der Machtkompetenzen zwischen der Teilrepublik und Moskau auf Spätherbst verschoben.
Morde, Entführungen
Menschenrechtler beklagen andauernde Morde und Entführungen, die sowohl von Rebellengruppen als auch von russischen Einheiten verübt werden. 2004 gab es 214 Terroranschläge, bis Ende April 2005 21 Anschläge und 40 bewaffnete Überfälle. Die Arbeitslosigkeit in Tschetschenien liegt bei 67 Prozent.
Wie der Konflikt in Russland wahrgenommen wird, hat nun eine Umfrage des unabhängigen Meinungsforschungsinstitut Lewada-Zentrum eruiert und dabei eklatante Unterschiede in der Einschätzung zwischen Volk und Staatsmacht festgestellt. Während nämlich der Kreml schon am 18. April 2002 "das militärische Stadium der Antiterroroperationen" für beendet erklärt hat, sind mehr als drei Jahre später 68 Prozent der Russen überzeugt, dass nach wie vor Krieg herrscht. Dazu kommt, dass sich nur ein Fünftel der Befragten für eine Fortführung der Militäroperationen ausspricht.
Wie Umfragen auch des näher zum Kreml stehenden Instituts FOM zeigen, glauben nur 28 Prozent der Bevölkerung an eine Normalisierung in Tschetschenien, 52 Prozent sehen keine Erfolgsaussichten; die Zahlen decken sich fast völlig mit denen von 1999.
Am deutlichsten wird der Pessimismus aber an einer andere Zahl: Laut Lewada-Zentrum sind 69 Prozent der Russen mehr oder weniger bereit, sich mit einer Abspaltung der Kaukasusrepublik abzufinden, lediglich 22 Prozent sind strikt dagegen.