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Das Hörgerät als Schmuck - hier ein Entwurf aus Deutschland. Heimischen Kassen kommt indes schon der "Aufwand" bei Verschreibung schmuckloser Hörhilfen teuer.

Foto: dpa/Thissen
"Zahlungen im Graubereich" von Technikern an HNO-Ärzte verteuern die Aufwendungen der Krankenkassen für Geräte am Ohr jährlich um 4,2 Millionen Euro.


Wien – Als die gewohnte Zahlung vom Hörgerätehersteller ausblieb, reagierte der Doktor mit Protest: "Es ist mehr als bedauerlich, dass Sie weiterhin eine Kooperation ablehnen", schrieb der oberösterreichische HNO-Arzt in einem dem STANDARD vorliegenden Brief an ein Fachgeschäft für Augenoptik und Hörgeräteakustik. Nachsatz: "Anhand der Verkaufszahlen der Hörgeräte werden Sie ja selber merken ob Ihr Weg der richtige ist."

Ob die Zahlungsverweigerung der richtige Weg sei, um in einem Geschäft zu bestehen, das seit langen Jahren durch die gewohnheitsmäßige Zahlung so genannter "Aufwandsentschädigungen" der Techniker an die Mediziner aufgefettet wird – meinte der Mediziner wohl: "Pro Hörgerätverschreibung erhält jeder HNO-Arzt vom Gerätehersteller zwischen 60 und 70 Euro. Für angebliche Zusatzberatung der Patienten und Feineinstellung der Geräte am Ohr", schildert Christian Moder, stellvertretender Direktor der burgenländischen Gebietskrankenkasse.

In Wirklichkeit jedoch – so Moder – würden diese Dienste von den Geräteherstellern selbst durchgeführt: "Sie – und nicht die Ärzte – verfügen über das notwendige handwerkliche Know-how dafür." Die medizinische Beratung der – mehrheitlich – Kassenpatienten wiederum werde den Doktoren durch die entsprechenden Krankenscheinhonorare remuneriert.

Damit hafte den "Aufwandsentschädigungen" endgültig der Geruch von "Zahlungen im Graubereich" an. Von Geldern, mit denen sich die Hörgerätehersteller für die Zuweisung von Patienten erkenntlich zeigen, erläutert der Kassenvize. Seit eineinhalb Jahren steht er einem von Kassen, Hauptverband, öffentlichen Unfall- und Pensionsversicherern beschickten Arbeitskreis vor, der versucht, den Zahlungsmissstand zu beseitigen.

Überhöhte Preise

Die "Aufwandsentschädigungen" nämlich blieben letztlich an der öffentlichen Hand hängen, da die Hersteller die Hörgerätpreise entsprechend höher ansetzten. Resultat: 4,2 Millionen Euro Zusatzkosten jährlich für die Kassen, die laut Gesamtvertrag derzeit 852 Euro für ein einohriges, 1533 Euro für ein beidohriges Hörgerät zahlen – bei rund 60.000 Verschreibungen pro Jahr.

Erhärtet wird der "Graubereich"-Verdacht zusätzlich durch den Ablauf einer typischen kassenfinanzierten Hörgeräteanpassung. Während etwa ein Fehlsichtiger vom Augenarzt für seine Brille eine Verschreibung erhält, mit der er zum Optiker seiner Wahl gehen kann, wird einem Schwerhörigen vom HNO- Doktor ein bestimmter Hörgerätehersteller anempfohlen. Die Verschreibung erhält der Patient dann erst nach der Geräteanpassung durch den Techniker.

Für Moder eine "wettbewerbswidrige Situation" – während sich Peter Reisenberger, Fachgruppenobmann der HNO-Ärzte in der Österreichischen Ärztekammer, auf Besonderheiten seines Fachs beruft. Zum Beispiel auf "eingehende Beratung von Patienten, die anfangs nicht einsehen wollen, dass sie jetzt schon und nicht erst in drei Jahren ein Hörgerät brauchen". Der Aufwand für solche Bemühungen werde etwa "durch jene elf Euro, die uns die Kassen für therapeutische Aussprachen zahlen", nicht gedeckt. (DER STANDARD, Printausgabe, 03.08.2005)