Istanbul/Paris Zwei Monate vor Beginn der geplanten EU- Beitrittsverhandlungen sieht sich die Türkei mit massiven Forderungen konfrontiert, Zypern völkerrechtlich anzuerkennen und einen gesetzlichen Rahmen für die Religionsfreiheit der nichtmuslimischen Minderheiten zu schaffen.

Regierungschef Recep Tayyip Erdogan hat am Donnerstag in Ankara verärgert auf die jüngsten Aussagen des französischen Premierministers Dominique de Villepin reagiert. "Es kommt nicht infrage, dass wir über irgendeine neue Bedingung für den Beitrittsprozess reden, der am 3. Oktober anfangen soll", sagte Erdogan. Ihm sei von Frankreichs Präsident Jacques Chirac versichert worden, dass eine Anerkennung Zyperns nicht Voraussetzung für den Verhandlungsbeginn sei.

Villepin hatte sich am Dienstag für eine Verschiebung der Verhandlungen ausgesprochen, sollte die Türkei nicht formal die Republik Zypern anerkennen. Die Türkei hatte, wie von der EU verlangt, vergangene Woche das Protokoll über die Ausdehnung der Zollunion auf die zehn neuen EU-Staaten unterschrieben, in einer Zusatzerklärung aber festgestellt, dies sei keine formale Anerkennung Zyperns.

Der französische Außenminister Philippe Douste-Blazy wiederholte am Donnerstag die Bedenken seines Landes: "Es ist nicht akzeptabel, dass ein Land, das der Union beitreten will, nicht bereit ist, ein anderes Mitgliedsland anzuerkennen", sagte er der Pariser Zeitung Le Monde. Nach Angaben der Tageszeitung Le Figaro unterstützt Staatspräsident Jacques Chirac ausdrücklich diese Position.

Am 1. und 2. September wollen die EU-Außenminister über das Verhandlungsmandat mit der Türkei beraten. Österreich, Zypern und Frankreich hatten bisher Bedenken gegen eine Vollmitgliedschaft der Türkei geäußert. Da ein Beschluss nur einstimmig erfolgen kann und eine Einigung schwierig erscheint, könnte es zu einer Verschiebung des Starts der Gespräche kommen.

Kritik kommt auch von der EU an der Türkei wegen mangelnder Religionsfreiheit insbesondere für Christen. EU- Erweiterungskommissar Olli Rehn hat ein entsprechendes Schreiben nach Ankara geschickt. Zwar ist die Gewährung von Religionsfreiheit keine Bedingung vor der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen, werde aber ein Hauptthema bei den Gesprächen sein, so ein EU-Sprecher. (afs, dpa, Reuters/DER STANDARD, Printausgabe, 5.8.2005)