Von schwarzem Schnee spricht Howard Collins. Wie eine Schneedecke habe der Staub unterm Russell Square im Tunnel gelegen, schildert der Reparaturchef der Londoner U-Bahn. "Man konnte sogar Fußspuren sehen."

Der Ruß, der sich über die Jahre an den Tunnelwänden der Piccadilly Line festsetzte, muss in dichten Flocken gefallen sein, als Germaine Lindsay seine Rucksackbombe zündete und 26 Fahrgäste in den Tod riss. In den vier Wochen danach hatten, neben den Ermittlern, allein Collins und seine Helfer Zutritt.

Heute rumpeln die Züge durch den Streckenabschnitt, als sei nichts geschehen. Am Donnerstagmorgen, um 5.17 Uhr, nahm die Piccadilly-Linie ihren Betrieb wieder auf.

Es war kein Zufall, dass der Neustart auf einen Donnerstag fiel. Donnerstag vor vier Wochen detonierten vier Bomben, Donnerstag vor zwei Wochen versuchten vier Fanatiker, Sprengsätze zu zünden, nun war wieder, was manche sarkastisch den "Bombing Thursday" nennen. Schon deshalb wollten die Bahntrupps zeigen, dass man sich nicht unterkriegen lässt.

Frühmorgens am Russell Square. Die Zahl der Pendler hält sich in Grenzen, dafür haben TV-Teams ihre Kameras vor dem blauen Stationsschild aufgebaut. Polizisten stehen in neongelben Westen vor den Ticketsperren wie eine Wand.

Al-Kaida hat am Donnerstag mit neuen Attentaten gedroht. Die Nummer zwei von Al-Kaida, Ayman al-Zawahiri, warnte die Briten in einem von dem arabischen TV-Sender Al Jazeera ausgestrahlten Video, die Politik von Premierminister Tony Blair werde Konsequenzen haben.

Es sind so viele Polizisten im Einsatz wie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg, Bobbys in Leuchtwesten, die ein Gefühl von Sicherheit vermitteln sollen, Undercover-Beamte, die in den Zügen sitzen – angesichts der Größe der Stadt nur eine Geste, das reinste Glücksspiel.

So wenig man von den physischen Spuren der Gewalt sieht, so deutlich sind die psychischen Folgen zu merken. Kein Tag vergeht, an dem Betroffene nicht öffentlich über ihren Schmerz reden.

Seit Anfang Juli hat die "Tube", die U-Bahn, fast ein Drittel ihrer Passagiere verloren. Das liegt an der Ferienzeit, zum größeren Teil jedoch an der Angst, die ein Karikaturist einzufangen versuchte, indem er eine "Post-7/7-Tube Map" zeichnete. Auf der heißen die Stationen Panik, Kalter Schweiß, Verzweiflung, Intoleranz oder Vorurteil.

Was die Ermittler erstaunt: Vier Wochen nach 7/7 ist noch immer kein Bekennervideo aufgetaucht. Normalerweise nehmen Selbstmordattentäter darauf Abschied, reden von Märtyrertum und Eintritt ins Paradies. Nichts dergleichen gibt es von den Terroristen, die im Zug von Luton nach London fuhren – ein Grund für heftige Spekulationen.

Unlängst ließen US-Terrorexperten verlauten, die vier seien von Hintermännern getäuscht worden. Die hätten ihnen vielleicht erzählt, sie sollten ihre Rucksäcke in die Tube stellen und verschwinden. Tatsächlich detonierten sie an deren Körper.

Jetzt streut Ray Kelly, der Chef der New Yorker Polizei, neue Details. Demnach verwendeten die Attentäter einen Sprengstoff, der leicht hergestellt werden kann, aus Zitronensäure, Haarbleichmittel und Trockenbrennstoff, den Camper zum Kochen benutzen. Die Bomben seien durch Handys gezündet worden. Nicht alles daran sei akkurat, wiegelte Scotland Yard ab, "solche Informationen würden wir zurzeit nicht herausgeben". (DER STANDARD, Printausgabe, 5.8.2005)