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Thomas Thieme als der Magistrat in 'Warten auf die Barbaren'

Foto: REUTERS/Leonhard Foeger

Salzburg – Eine Theaterstunde mit exquisitem Sommersadospaß. Man freut sich an den Kletterversuchen einer beschwipsten Fliege am Bierglas und zahlt erst, wenn das dicke Insekt ersoffen ist. Kaum mehr Erregungspotenzial bietet ein Solo, das Blixa Bargeld aus John M. Coetzees Roman "Warten auf die Barbaren" für den Depressions-Kultdarsteller Thomas Thieme destillierte.

Was immer der Nobelpreisträger an Feindbild-Allegorien in dunkle Prosa gegossen hat – dem gealterten Kopf der Krawallavantgardistentruppe "Einstürzende Neubauten" gelang beim Schauspiel-Zentralprojekt über die Abgründe des Barbarischen nicht mehr als eine Literatur-Quetschung, der nur voyeuristischer Saft entspritzte.

Derlei Dünnflüssiges tröpfelt, wenn man Legenden ans Eingemachte des Festspiel-Literaturwinkels "Dichter zu Gast", lässt. Die Lektüre exzellenter Einführungstexte verdeutlicht, was Zeitverschwendung ist. Außer, man ist bereit, sich an den Ausbrüchen eines wehleidigen Wundextremisten zu weiden, der wörtlich nichts anderes als fett sein will und nichts an sich schätzt als wackelnde Brüste.

Thieme ist wie bei seinen elisabethanischen Monstern ein einschüchterndes Naturereignis. Was er auch mit kleiner, überspannter Stimme zermahlt, er ist und bleibt nur er selbst. In Salzburg steckt der sphinxische Kloß in Salontracht, er versackt in einem Beet aus Styropor-Würfelzucker und wird wie Schlachtvieh per Kran gehoben. Den Textsplittern nach ist er ein abstürzender Magistratsbeamter. Wo sind wir? Im Hörspiel der Siebziger. Schnell den Sender gewechselt! (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.8.2005)