Sollte Waltraud Klasnic die Landtagswahlen im Oktober knapp gewinnen, dann nur deshalb, weil sie mithilfe des ORF und der Kleinen Zeitung einen Rechnungshof-Bericht veröffentlichen ließ, der einen lang vermuteten Skandal platzen und die Landeshauptfrau die Notbremse ziehen ließ.

Privatentnahmen der Familie in unkontrollierter Höhe, Sitzungsgelder für einen der bestbezahlten Sänger der Welt, doppelt vorgelegte Rechnungen: Das ist der Stoff, aus dem sich die süffigen "Yellow Press"-Geschichten schnitzen lassen. "Dallas" pur. Und zum zweiten Mal, nach dem Klatschtumult rund um die ehemaligen Landesräte Hirschmann und Paierl, zieht in der Steiermark schmutziger Wind durchs Land. Wer mit wem? Wie viel privat? Warum keine laufende Kontrolle?

Derzeit ist schwer abzuschätzen, wie stark die Auswirkungen auf die Stimmabgabe der Steirerinnen und Steirer sein werden. Über die Medien (und den unvermeidlichen Tratsch) kann jedoch eine Dynamik entstehen, die sachliche Argumente während des Wahlkampfs völlig niederdrückt.

Wie konnte eine im Grunde tüchtige und integre Frau in ein solches Schlamassel geraten? Zu hart wäre es, ihr mangelnde Managementfähigkeiten vorzuwerfen. Wer sie nicht hat, muss sich ihrer in der unmittelbaren Umgebung bedienen können.

Sowohl in der Frage Spielberg (Ablehnung des Red-Bull-Projekts durch den Bundes-Umweltsenat) als auch jetzt beim Herberstein-Skandal sind jedoch Fehler aufgetaucht, die einer effizient geführten Regierung nicht passieren dürfen. Dafür trägt letztlich die politische Spitze die Verantwortung.

Bei Waltraud Klasnic kommt noch deren Gutgläubigkeit hinzu. Die wird gerne ausgenützt. Und das ist offenbar im Verhältnis zwischen der Landeschefin und der (angeheirateten) Exponentin einer der ältesten steirischen Adelsfamilien passiert. Dass nicht nur Klasnic selbst, sondern auch einige ihrer Topberater noch im heurigen Frühling überzeugt waren, die Auslagerung der naturwissenschaftlichen Sammlung des von Erzherzog Johann Anfang des 19. Jahrhunderts gegründeten Joanneums in das Weichbild eines Tierparks sei eine tolle Sache, hat Ahnungen bereits beflügelt.

Aufseiten der Kritiker steht die SPÖ am besten da. Sie hat den Subventionsfluss immer schon kritisiert. Weniger seriös die Attacken Gerhard Hirschmanns auf Klasnic. Er weiß sicher mehr, als er sagt, und er hat immer etliches von dem politisch mitgetragen, was er jetzt verurteilt.

In der schwarzen Bundesspitze schrillen die Alarmglocken. Einen Verlust der schwarzen Hochburg würden viele als Vorboten für eine Niederlage bei den Nationalratswahlen sehen. Wien und Salzburg, die Steiermark und das Burgenland wären dann in roter Hand, ein großräumiger Umbau der politischen Landschaft im Gange.

Möglich ist natürlich auch eine Welle des Protests: eine extrem niedrige Wahlbeteiligung sowie eine dramatische Stärkung der Grünen und der Kommunisten des Grazer Stadtrats Ernest Kaltenegger. Dazu genug Schwung, um Hirschmann in den Landtag zu bringen. Sogar die FPÖ des Landesrats Leopold Schöggl kann wieder auf eine Rückkehr von den politisch Toten hoffen. Ein Landtag mit sechs Parteien ist durchaus vorstellbar. Und seine Lähmung auch.

Derzeit liegen zwischen ÖVP (47,3 %) und SPÖ (32,3 %) Welten. Grüne (5,6 %), KP und Hirschmann werden mehr als zehn Prozent absaugen, das freiheitliche Lager (bisher 12,4 %) etwa acht Prozent der Stimmen auf den Markt werfen. Dadurch könnten unter den beiden größten erneut an die achtzig Prozent verteilt werden. Eine knapp siegreiche Klasnic oder ein mit schmaler Mehrheit ausgestatteter Franz Voves, der sozialdemokratische Spitzenkandidat, werden zum Regieren noch mehr Kompromisse als bisher brauchen. Außer sie bilden eine große Koalition, weil es nach dem Landesproporz keine der kleineren Parteien schafft, einen Regierungssitz zu ergattern. (DER STANDARD, Printausgabe, 5.8.2005)