Wien - Für den Wiener Rechtsanwalt Helmut Graupner sind es "Gebrandmarkte", doch Adalbert Wlcek, Leitender Staatsanwalt im Justizministerium, vermutet: "Das müssen Schwerkriminelle sein." Die Rede ist von 1434 Menschen - überwiegend Männer -, die wegen einer Verurteilung nach den inzwischen aufgehobenen antihomosexuellen Verbotsparagrafen immer noch im österreichischen Strafregister aufscheinen.

Ein Großteil der Vormerkungen - 558 - geht dabei auf Urteile wegen des Totalverbots von vor 34 Jahren und früher zurück - bis 1971 wurden einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen mit bis zu fünf Jahren Kerker geahndet. Laut Graupner ist dies nur durch Folgeverurteilungen wegen anderer Delikte erklärbar, die die Tilgungsfristen für Vorstrafen um ein Mehrfaches verlängern.

Dennoch sei nicht einzusehen, dass diese Menschen weiter als "straffällige Homosexuelle" gelten - ebenso wie jene 426 Männer, die wegen Verstößen gegen den bis 2002 geltenden Schwulenmindestalterparagrafen 209 StGB registriert sind. So werde verleugnet, dass die Moralvorstellungen, die diesen Gesetzen zugrunde gelegen seien, heute als überholt gelten.

Umso unverständlicher ist für den Sprecher der Plattform gegen Paragraf 209, dass bisher nur einem der rund zehn eingebrachten Gnadengesuche für "Mindestalter"-Verurteilte stattgegeben wurde; der Justizminister muss solche Gnadengesuche dem Bundespräsidenten vorlegen, der ohne Okay des Ministers diesbezüglich handlungsunfähig ist.

Lediglich ein Schwuler, der wegen eines von der Mutter seines 17 Jahre alten Freundes gefundenen Liebesbriefes vor Gericht gezerrt worden war, wurde dem damaligen Bundespräsidenten Thomas Klestil von Justizminister Dieter Böhmdorfer (FPÖ) zur Gnadengewährung vorgeschlagen: "Und sogar in diesem Fall wurde lediglich die Gefängnisstrafe gestrichen. Als vorbestraft gilt der Mann aber weiterhin." (bri, DER STANDARD - Printausgabe, 5. August 2005)