Wien - Das gescheiterte EU-Verfassungsprojekt unter seinem Nachfolger Jose Manuel Barroso, aber auch seine eigenen Erfahrungen als EU-Kommissionspräsident haben in Romano Prodi die Gewissheit reifen lassen: "Die EU ist für starke europäische Institutionen noch nicht reif." Dies sagte Prodi im ORF-Sommerinterview der "ZiB3".

Jeder denkt an sich

Der frühere Kommissionspräsident, der nun das Bündnis italienischer Mitte-Links-Parteien gegen die Regierung von Ministerpräsident Berlusconi anführt, bekräftigte in dem Freitagnacht ausgestrahlten Gespräch auch einmal mehr, dass er den Irak-Krieg, an dem Italien in vorderster Linie teilnimmt, für "verhängnisvoll und unnütz" hält.

"Italien denkt nur an Italien, Frankreich denkt nur an Frankreich", räsonierte Prodi über den innerhalb der EU nach wie vor regierenden Primat der Partikularinteressen, "da ist kein Platz für gesamteuropäische Unternehmungen." Er habe gehofft, ein gemeinsames Europa ohne Krise entstehen zu lassen, meinte Prodi - "aber jetzt wird es wohl erst nach einer Krise entstehen".

Nicht die Flucht ergreifen

Was den Irak betrifft, ist Prodi für eine Diskussion über Modelle eines Truppenabzuges, allerdings unter der Voraussetzung des zivilen Wiederaufbaus: "Wir wollen nicht die Flucht ergreifen."

Für die im kommenden Frühjahr anstehenden italienischen Parlamentswahlen gibt sich Prodi kämpferisch, nicht ohne auf die überwältigende Medienmacht seines Kontrahenten Berlusconi hinzuweisen: "Ich werde wohl wieder mit dem Autobus durch Italien fahren - oder mit einem jener Lkw, die man in Österreich zu recht nicht mehr sehen will." (APA)