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Das russische U-Boot AS-28 und sein Retter, der Tauchroboter Scorpio.

Foto: AP
Das U-Boot hatte sich vermutlich in den Kabeln einer Abhöranlage verfangen.

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Sonntagfrüh um halb sechs Uhr (MEZ) war der Wettlauf mit dem Tod gewonnen. Völlig entkräftet und schwer unterkühlt konnten die sieben russischen Matrosen gerade noch die Ausstiegsluke aus dem Mini-U-Boot öffnen. Letztlich waren sie wohlauf, nur zur Sicherheitsuntersuchung wurden sie ins Spital gebracht. "Wir haben die ganze Zeit daran geglaubt, dass wir gerettet würden", sagte U-Boot-Kapitän Wjatscheslaw Milaschewski.

76 Stunden waren die Matrosen in dem Boot in 190 Meter Tiefe knapp vor der Halbinsel Kamtschatka in nahezu gänzlicher Dunkelheit festgesessen. Der so genannte Bathyskaph hatte sich dort am Donnerstag während eines Tauchgangs zur Wartung eines unterseeischen Horchgeräts verfangen - nach jüngsten Angaben der Pazifikflotte in den Kabeln des besagten Horchgeräts der Küstenüberwachung selbst.

Wettrennen mit der Zeit

Was folgte, war ein Wettrennen mit der Zeit - vor allem über die Sauerstoffversorgung herrschte bis zuletzt Unklarheit. Nach britischen Angaben hätte die Atemluft höchstens noch für einen halben Tag gereicht. Der angeforderte britische Unterwasserroboter "Scorpio 45", der mit Schneidewerkzeugen ausgerüstet ist, war jedoch rechtzeitig eingetroffen und hatte das russische U-Boot aus den Fängen des Fischernetzes befreit. Per Fernbedienung durchtrennten die Spezialisten die Kabel.

Ein derart glückliches Ende einer Havarie ist im Russland der letzten Jahre eigentlich die Ausnahme. Dass mit Menschenleben im Riesenreich großzügig umgegangen wird, zeigen nicht nur die Politik in Konfliktzonen und die Organisation von Geiselbefreiungen, sondern etwa auch der Untergang des U-Bootes "Kursk" vor fünf Jahren, bei dem 118 Matrosen ums Leben gekommen sind. Damals hatte man - auch aus Angst vor Spionage - viel zu spät ausländische Hilfe angefordert.

Hilfe angefordert

Die russische Führung scheint daraus eine Lehre gezogen zu haben - schließlich hatte die "Kursk"-Tragödie Putins Image erstmals Kratzer zugefügt. Zwar hat man auch jetzt die Öffentlichkeit erst einen Tag nach dem Beginn der Havarie in Kenntnis gesetzt. Nach den vielen Terrorserien im Land und einer misslungenen Sozialreform wollte man sich nun aber offenbar nicht noch den Vorwurf der zynischen Untätigkeit einholen.

Der Kremlchef hat sich seiner Art gemäß zwar auch jetzt während der ganzen Havarie nie öffentlich zu Wort gemeldet, offenbar aber schon am ersten Tag befohlen, Hilfe aus Japan, den USA und Großbritannien anzufordern. Das gute Krisenmanagement änderte freilich nichts am Eiertanz der politischen Verantwortlichen am Sonntag nach der Rettung, denn während sich das russische Außenministerium bei den ausländischen Helfern bedankte, spielte das Staatsfernsehen diese Hilfeleistung maximal herunter.

Militäreinheiten in schlechtem Zustand

In der Tat hatten die Russen selbst zuvor mehrere eigene Rettungsversuche gestartet, die freilich allesamt erfolglos blieben. Am Sonntag hat die - wohlgemerkt - handzahme Opposition die Mängel bei den eigenen Rettungsgeräten kritisiert und eine parlamentarische Untersuchung gefordert.

Trotz achtprozentiger Erhöhung des Militärbudgets im Vorjahr sind die meisten russischen Militäreinheiten in einem schlechten Zustand. Die russische Armee hat zwar annähernd gleich viel Personal wie die US-Armee, die Militärausgaben betragen allerdings nur ein Dreißigstel davon. (Eduard Steiner/DER STANDARD; Printausgabe, 8.8.2005)