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Nartum - Mit vielen Auszeichnungen und Preisen ist der Schriftsteller Walter Kempowski in den vergangenen Jahren schon geehrt worden. Dass er an diesem Sonntag in Lübeck den Thomas-Mann-Preis erhält, ist für den 76-Jährigen jedoch etwas Besonderes: "Ich habe mich darüber sehr gefreut. Ich bin mit dem Werk von Thomas Mann aufgewachsen. Und noch heute lese ich hin und wieder in seinen Tagebüchern."

Kempowski erinnert sich noch genau an seine erste Bekanntschaft mit einem Buch von Thomas Mann, der 1875 in Lübeck geboren wurde und vor 50 Jahren - am 12. August 1955 - in der Schweiz starb. "Es war kurz vor den Angriffen auf Hamburg. Ich war 14 Jahre alt und bei meinen Großvater im Garten. Da habe ich die 'Buddenbrooks'gelesen." Bei dem schweren Bombenangriff sei später dann das Haus getroffen worden. "Auch das Buch verbrannte, aber ich hatte es schon durchgelesen."

Lesung

Einen Tag vor der Auszeichnung in Lübeck wird Kempowski aus seinem noch unveröffentlichten Tagebuch "Hamit" lesen. In dem Buch beschreibt er seine Erlebnisse in Rostock kurz nach der Wende 1990. "Hamit" sei erzgebirglerisch und bedeute Heimat. Im Frühjahr 2006 soll es auf dem Buchmarkt erscheinen.

Zu seinen Erfolgsbüchern zählen "Tadellöser & Wolf", in dem Kempowski seine Jugend während des Nationalsozialismus beschreibt, "Uns geht's ja noch Gold" über die ersten Nachkriegsjahre, "Schöne Aussicht" sowie "Letzte Grüße". Große Anerkennung - auch aus dem Ausland - erhielt er für sein Mammutwerk "Echolot". Darin wird die Geschichte des Zweiten Weltkriegs anhand von Dokumenten, Erinnerungen, Tagebüchern und Briefen ganz normaler Menschen sowie prominenter Nazi-Größen beleuchtet. Der letzte Band erschien im Frühjahr dieses Jahres.

Erst Popularität, dann Würdigungen

Seit mehr als drei Jahrzehnten zählt Kempowski zu einem der meistgelesenen deutschen Gegenwartsautoren. Auf Auszeichnungen hatte er jedoch lange warten müssen. Dafür kommen sie seit gut zehn Jahren umso häufiger. 1994 erhielt Kempowski den Literaturpreis der Konrad- Adenauer-Stiftung, 1996 das Bundesverdienstkreuz. Außerdem wurde er unter anderen mit dem Uwe-Johnson-Preis, dem Doderer-Literaturpreis, den Sinsheimer Preis und dem Niedersächsischen Literaturpreis geehrt. Erst im Mai nahm er in München den Corine-Buchpreis entgegen.

Kempowski wurde am 29. April 1929 in Rostock als Sohn eines Reeders geboren. Drei Jahre nach Kriegsende wurde er wegen angeblicher Militärspionage von einem sowjetischen Militärgericht zu 25 Jahren Haft verurteilt. Acht Jahre saß er in dem berüchtigten DDR- Zuchthaus Bautzen, ehe er begnadigt wurde. Später studierte Kempowski Pädagogik und arbeitete 20 Jahre lang als Landschullehrer im niedersächsischen Dorf Nartum in der Nähe Bremens. Dort ist er noch heute zu Hause.

Der Schriftsteller und leidenschaftliche Sammler von Tagebüchern und Biografien anderer Menschen steckt noch voller Energie und Tatendrang. Ein neues Werk "Alles umsonst" ist längst in Arbeit. "Das ist ein Roman, der mir selbst Freude macht", sagt Kempowski. "Wir streiten immer noch, ob der Titel "Alles umsonst" oder "Alles vergeblich" heißen soll", meint er mit einem kleinen Seitenhieb auf seine Frau. Worum es in dem Werk geht? "Es ist sozusagen eine Endabrechnung - mit mir." (APA/dpa)