Der US-Medienkonzern Time Warner will die unzähligen laufenden Schadenersatzklagen von Aktionären und ehemaligen Angestellten rund um die Fusion mit America Online (AOL) beenden und bietet insgesamt drei Milliarden Dollar an, "um wieder den Kopf für die Zukunft frei zu bekommen," wie der Vorstandsvorsitzende, Richard D. Parsons, in der New York Times sagte. Entschädigungen und Rechtskosten haben dem größten Medienunternehmen der Welt einen Verlust von 321 Millionen Dollar im zweiten Quartal 2005 beschert, verglichen mit einem Gewinn von 882 Millionen Dollar im Jahr davor. Insgesamt sollen Aktionäre, die zwischen 27. Jänner 1999 und 27. August 2002 Aktien gekauft haben und in einer Sammelklage gegen das Unternehmen vorgingen, 2,4 Milliarden erhalten, weitere 600 Millionen sind für andere Rechtsstreitigkeiten mit ehemaligen Angestellten reserviert. Dem außergerichtlichen Angebot müssen noch die Gerichte zustimmen.

Musterbeispiel

Die Fusion von Time Warner mit AOL im Jahr 2001 gilt als Musterbeispiel für eine missglückte Ehe zwischen zwei Branchenriesen. Statt erhoffter Synergien verlor das gemeinsame Unternehmen dramatisch an Wert (siehe Grafik). Wegen mutmaßlicher Bilanztricksereien bei AOL hat Time Warner überdies bereits vor einigen Wochen in die Zahlung von 300 Mio. Dollar eingewilligt. Auch dieses Geld an soll an geschädigte Anleger verteilt werden. Nach Angaben der Behörde soll AOL in seinen Büchern für den Zeitraum zwischen 2000 und 2002 die Einkünfte aus dem Werbegeschäft und die Zahl seiner Abonnenten aufgebläht haben.

Außergerichtliche Einigung

Die Manipulationen hätten vor der spektakulären Fusion von AOL mit dem Mediengiganten Time Warner begonnen und seien danach entgegen einer Anweisung der Börsenaufsicht fortgesetzt worden, erklärte die SEC. Time Warner gab im Rahmen der außergerichtlichen Einigung keine Schuld zu.

Das Unternehmen willigte aber ein, seine Bilanzen für den betroffenen Zeitraum zu korrigieren. Laut SEC sollen die Einnahmen aus dem Werbegeschäft um etwa 500 Mio. Dollar nach unten berichtigt werden. Bereits zu einem früheren Zeitpunkt hatte das Unternehmen diese Einnahmen um 190 Mio. Dollar nach unten revidiert. Insgesamt kosten Time Warner die Bilanzunregelmäßigkeiten nun 510 Mio. Dollar. (red, AFP/DER STANDARD, Printausgabe vom 5.8.2005)