Trauriger Mann mit langem Gesicht: Jan (Peter Lohmeyer) und Kati (Outi Mäenpää) als Aussteiger wider Willen in Peter Lichtefelds "Playa del Futuro".

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Zwei Arthouse-Filme locken ihr Publikum mit schrulligen Glückssuchern in die Ferne: Peter Lichtefelds "Playa del Futuro" und Jean-François Pouliots "Die große Verführung".


Wien - Zwei Prämissen, aus denen man gerne einfache Kinogeschichten von Traumwandlern und Glückssuchern strickt, besagen das Folgende: Entweder das Glück liegt in der Ferne. Oder aber es hat in einem überschaubaren, bevorzugt ländlichen Soziotop verhältnismäßig unbeschadet überlebt. Die erste Annahme hat den Vorzug, dass sie mit Reisetätigkeit verbunden ist. Die zweite erlaubt überdies die Überprüfung der These, dass in abgeschiedenen Gesellschaften auch ein Übermaß an urwüchsiger Kauzigkeit zu finden ist. Alles zusammen genommen, kann dann zum Beispiel das ergeben:

Jan war einst Kochlehrling mit großen Ambitionen. Inzwischen ist er gute zwanzig Jahre älter, in der verranzten Küche einer Eckkneipe, beim Aufwärmen von Fleischlaibchen sind auch die Träume vom eigenen Restaurant verbrutzelt. Sein bester Freund überschreibt ihm das Etablissement. Eben dies bringt es wenig später mit sich, dass Jan überstürzt nach Spanien reisen muss, an einen verschlafenen Ort, der Playa del Futuro heißt und mitten in den Bergen liegt.

Der gleichnamige Film ist vom deutschen Regisseur Peter Lichtefeld, der bereits in Zugvögel ... einmal nach Inari einen vermeintlichen Loser porträtierte. Diesmal spielt Peter Lohmeyer, sonst eher auf Draufgängerrollen abonniert, den etwas zögerlichen, gutmütigen Helden. Man sieht ihm nicht ungern dabei zu, wie er sich, immer ein bisschen hilflos, neuen Herausforderungen stellen muss. Um einen ganzen Film zu tragen, ist das dann aber doch zu wenig.

Besonders, wenn sich darum herum ausgedacht eigentümliche Figuren und Situationen sammeln - ein ungarischer Exilant, den spät die Liebe ereilt, eine toughe deutsche Gangsterbraut mit großem Herzen und eine resolute finnische Gastronomiefachkraft, nur so als Beispiel. Eingebettet in Landschaftsaufnahmen wie aus dem Fotoprachtband führt der Glaube ans kleine Glück ein beschauliches Dasein.

Medizinermangel

Vergleichbares, nämlich der Traum vom bescheidenen wirtschaftlichen Aufstieg, motiviert die Bewohner einer entlegenen kanadischen Insel zu ungeahnten Aktivitäten: Die Sozialhilfeempfänger von Sainte-Marie-La-Mauderne (Wortspiel!) sind ihren monotonen Alltag leid, aber die Ansiedelung einer Fabrik ist an die Bedingung geknüpft, dass das Dorf einen niedergelassenen Arzt vorweisen kann.

Mit sanftem Druck wird also ein eitler Mediziner aus der Großstadt angeworben. Die Dauer seines zeitlich begrenzten Aufenthalts müssen die Einheimischen nutzen, ihn längerfristig an den Ort zu binden. Die große Verführung / La grande séduction von Jean-François Pouliot macht aus dieser Vorgabe ein routiniertes Arthouse-Schelmenstück, das auf kaum ein einschlägiges Versatzstück verzichten will und folglich ziemlich berechenbar bleibt:

Statt aufs Kollektiv zu setzen, erzählt der Film seine Geschichte anhand eines halben Dutzends Einzelner und versieht sie zwecks besserer Identifikation mit überdeutlichen Attributen. Wie die Kollegen von der Blockbusterproduktion hat sich auch das Arthouse-Kino längst seine Typen gestanzt:

Der Bankbeamte ist natürlich ein ängstlicher Zahlenmensch. Der egozentrische alte Trinker entwickelt sich natürlich zum guten Geist der Aktion. Die schöne Postbeamtin vertreibt sich die Zeit bis zum Happyend mit Yoga am Pier. Und ein wohl eigens dafür angelernter Lausbub eilt wie auf Kommando und bevorzugt im Dauerlauf von Szene zu Szene. Der Rest ist menschliche Staffage. Der Übung ist natürlich trotzdem Erfolg beschieden. Willkommen im bescheidenen Glück namens Sommerloch. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6./7.8.2005)