Jörg Schönbohm, CDU-Chef und Innenminister in Brandenburg, ist für markige Sprüche bekannt. Schon häufig hat der "Wossi" - so werden "Wessis" genannt, die nach der Wende nach Ostdeutschland gingen - deutlich gemacht, wo im Spektrum der CDU er beheimatet ist: Weit rechts.

Als nun bekannt wurde, dass eine 39-jährige Frau aus Brandenburg zwischen 1988 und 1999 neun Babys gleich nach der Geburt getötet und in Blumenkisten vergraben haben soll, hatte der stramme General alsbald eine Erklärung für die Tat: "Ich glaube, dass die von der SED erzwungene Proletarisierung eine der wesentlichen Ursachen ist für Verwahrlosung und Gewaltbereitschaft."

Empörung

Es folgte ein empörter Aufschrei im Osten: So meinte etwa Lothar Bisky, Chef der Linkspartei: "Es ist unerträglich, dass Schönbohm im Wahlkampf mit der Losung kommt: ,Kommunisten fressen Kleinkinder.'" Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel schwieg zunächst, las Schönbohm dann aber doch die Leviten: "Ein solch furchtbares Verbrechen darf man nicht mit pauschalen Einschätzungen erklären."

Mittlerweile hat sich Schönbohm entschuldigt. Keineswegs habe er die Bürger der Ex-DDR kränken, sondern nur eine Debatte über Wertevermittlung und Gleichgültigkeit in der Gesellschaft anstoßen wollen. Dennoch steht er schwer unter Druck. Bundeskanzler Gerhard Schröder kritisiert die "Beleidigung für die Menschen im Osten". Selbst Sachsen-Anhalts Verkehrsminister Karl-Heinz Daehre (CDU) legt seinem Parteikollegen Schönbohm den Rücktritt nahe.

Für Merkel ist die Affäre äußerst unangenehm - schließlich wird Schönbohm in der Union als künftiger Verteidigungsminister gehandelt. Wenig Freude bereitet Merkel auch eine Umfrage von Infratest dimap: Diese weist zum ersten Mal seit Februar keine Mehrheit mehr für CDU/CSU und FDP aus, weil die Liberalen schwächeln. Das Bündnis kommt im Moment auf 48 Prozent (CDU/CSU 42 Prozent) und ist damit genauso stark wie SPD, Grüne und die Linkspartei - wobei die SPD auf Kosten der Linken um einen Punkt zulegte und nun bei 29 Prozent liegt.

Abgesehen vom TV-Duell Merkel versus Schröder, wird es noch eine weitere Konfrontation von Spitzenkandidaten geben: Für den 1. September (18 Tage vor der Wahl) plant das ZDF eine Redeschlacht zwischen Grünen-Außenminister Joschka Fischer, FDP-Chef Guido Westerwelle und dem linken Frontmann Oskar Lafontaine. (DER STANDARD, Printausgabe, 6.8.2005)