Auch Bodgan Roscic, ehemaliger Ö-3-Kapitän und aktueller Headhunter für die geschichts-patinierte Nobelmarke Deutsche Grammophon, war bei der Netrebko-Villazón-PK dabei. Seine Informationsspendierfreudigkeit ist jedoch gering. Vielleicht will er auch gar nicht die Netrebko-Magie der Stunde mit Zahlen und Fakten stören, den Jungmädchenzauber beeinträchtigen, in dem sich müheloses Virtuosentum mit Sexappeal zum Angreifen paaren.

Dem mit größten Kompetenzen beim Anheuern von Neo-Ikonen, Verführungs-Images, strategischen Entscheidungen und Projektabwicklungen ausgestatteten DG-Repertoirechef entschlüpft dann doch, dass Villazón bald in seinen Stall wechselt. Das kann eigentlich nicht wirklich überraschen. Er nennt dann Netrebko erwartungsgemäß als momentan bestsellende Klassiksängerin, ist stolz auf die erste Gesamt-CD und DVD der neuen Salzburger Traviata und hält sich bei Verkaufszahlen und Prognosen über Absatzsteigerungen beim Netrebko-Faktor sehr bedeckt.

Vorsicht scheint auch die Mutter der Firmenpolitikkiste zu sein. Markant geschnittene Starprofile wie Terfel, Hahn oder Lang Lang hätten an verschiedenen Punkten der Klassikwelt verschiedene Wertigkeiten, was aber nichts mit deren phänomenaler, auratischer Einmaligkeit zu tun hätte, die eben nicht durch Hype zu erzeugen sei.

In diese schmale Gruppe der handverlesenen Interpreten-Brillanten mit ganz unverwechselbarem Individualfeuer zählt auch Christian Thielemann, der fürs Haus gerade "Parsifal" einspielt. Als führender Manager des einst als olympisch geltenden Labels würde Roscic gern bestätigt sehen, dass DG eine Trendumkehr am Opern-Tonträgermarkt einleitet.

Er deutet die Zeichen der Zeit optimistisch, da kommen jugendliche InstrumentalistInnen mit Pin-up-Qualitäten im richtigen Moment, um eine neue, dringend benötigte Konsumentengeneration zu motivieren. Es müssen nach desaströser Durststrecke ja nicht gleich Zeiten zurückkehren, in denen Salzburg ein überfüllter Swimmingpool der Klassikfirmen mit angeschlossener CD-Großschwemme war. (gugg/DER STANDARD, Printausgabe, 06./07.08.2005)