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Frauen gehen in sogenannten "neutralen" Sprachformen unter.
Foto: APA/dpa/Frank Rumpenhorst
"Der diskriminierende Gehalt dieser Sprache ist nicht an angeblichen Formen feststellbar. Er besteht im Weglassen und Verschweigen", schrieb Daniela Gollnow am 13. Oktober 1983 in der TAZ und erntete dafür neben Aufsehen vorallem feindliche Häme. Mehr als zwanzig Jahre nachdem dieser Artikel erschienen ist, der auf der Erforschung des gesellschaftspolitischen Konnexes Sprache-Bewusstsein-Diskriminierung innerhalb der Zweiten Frauenbewegung basiert, erhitzt die Forderung nach einer geschlechtergerechten und gendersensiblen Sprache in Wort und Schrift die Gemüter weiterhin ungebremst. Der Widerstand dagegen ist - gelinde ausgedrückt - groß. "Pedantisch", "töricht", "kleinlich" tönt es aus den Mündern der ReformverweigerInnen, welche die Sprachkritik engagierter Frauen und Männer mit unkonstruktiven Mitteln herunter zu machen suchen.

Wenden wir uns dem Vorwurf des Verschweigens zu. Kommen Frauen in der deutschen Sprache also nur dann vor, wenn sie definitiv angesprochen und gemeint sind? Leider ist nicht einmal das immer der Fall, wie die alltägliche Praxis gesprochener und geschriebener Sprache beweist: In Reden, Gesprächen und Texten aller Art heißt es allgemein und mehrheitlich "die Österreicher, Schüler, Arbeitnehmer, Pensionisten..." etc., zumeist auch dann, wenn diese Gruppe zu hundert Prozent aus Frauen oder Mädchen besteht. Die Regel müsste jedoch sein: Sobald nur eine Person dieser Gruppe weiblichen Geschlechts ist, sie sprachlich zu kennzeichnen. Geschieht dies nicht, liegt ein Fall von Diskriminierung vor, denn das Unterschlagen des Geschlechts dieser Personen/en bedeutet Unsichtbarmachung und Auslöschung und ist überdies auch grammatikalisch falsch.

"Heimat bist du großer Töchter"

Nehmen wir das oft diskutierte Beispiel der österreichischen Bundeshymne "Land der Söhne...", so wird deutlich, dass es sich hier um eine direkte Diskriminierung der Frauen und Mädchen dieses Landes handelt, da natürlich Österreich zu keiner Zeit nur aus Männern und Buben bestanden hat, so wenig, wie es auf der ganzen Welt rein biologisch betrachtet kein einziges reines Männerland geben kann. Und ein solches Land könnte eben gar nicht "zukunftsreich" sein, wie es die Hymne vorgibt. Es soll jedoch suggeriert werden, dass die massgeblichen Leistungen allein von Männern vollbracht werden.

Ebenso erweisen sich Begriffe wie "Fachmann" oder "Ratsherr", um nur Beispiele zu nennen, heute allgemein verwendet als falsch, weil sie aus einer Zeit stammen, in der Frauen als Expertinnen und öffentlich Handelnde nicht auftreten durften. Obwohl die Ausschließung von Frauen aus den meisten Berufen glücklicherweise obsolet ist, erfährt sie sprachlich nach wie vor Anwendung, leider auch desöfteren von Frauen selbst. "Diese alten maskulinen Begriffe verhindern die sprachliche Widerspiegelung vieler von Frauen erkämpfter Tatsachen", schreibt Gesine Spieß (Weiberlexikon, 1996) und verweist auf die nicht zu unterschätzende psychologische Wirkung. Rein maskuline Termini lösen unbewusst Annahmen über das Geschlecht aus: hören wir Arzt, Arbeiter, Minister, Obmann etc., stellen wir uns automatisch eine Person männlichen Geschlechts vor. Dadurch werden Stereotypien verstärkt, die das Denken nur in eine - nämlich männliche - Richtung führen.

Frauen "sowieso mitgemeint"

Die Mehrheit der ReformgegnerInnen bringt dann das Argument vor, dass "Frauen ja sowieso mitgemeint" seien, denn die generischen Sprachformen seien eben identisch mit den maskulinen. Doch auch diese Annahme beruht auf einem Irrtum. Denken wir zum Beispiel an den "Bürger", so wissen wir, dass Frauen in Österreich von einem wesentlichen BürgerInnen-Recht, dem Wahlrecht, ausdrücklich und mit einem Zusatz ausgeschlossen, nicht mitgemeint und als Rechtssubjekte nicht existent waren.

Die männliche, als neutral ausgegebene, Sprachform vermittelt also den Mann als die Norm und die Frau als die Ausnahme, die aufgrund dieses negativen Sonderstatus einfach geschluckt und gelöscht werden kann, weil ja angeblich "sowieso mitgemeint". Dabei wäre erst eine gendergerechte, also beide Geschlechter berücksichtigende, Sprache wirklich neutral. Bei einer Reihe von Wörtern würde sogar die weibliche Form ausreichen, in der Männer enthalten sind, wie Lehrerinnen, Verkäuferinnen, Ministerinnen etc... und zugleich verdeutlichen, dass sowohl Frauen und Mädchen als auch Männer und Buben darunter subsummiert werden. Denn Sprache wirkt nach außen, also auf gesellschaftliche Verhältnisse ebenso wie nach innen, auf das Bewusstsein, wie auch Gudula List in ihrer Sprachpsychologie (Stuttgart 1983) betont. Kommen in Wort und Schrift beide Geschlechter gleichermaßen zum Ausdruck, verändert dies zugleich das Bewusstsein und das Geschlechterverhältnis.

Linguistische Empfehlungen

Bereits im Jahr 1984 trat eine Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes in Kraft. Österreich hatte sich 1982 durch die Ratifizierung der UNO-Konvention zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau verpflichtet, Maßnahmen zur Durchsetzung der Gleichbehandlung zu treffen. Dabei wurden als erstes geschlechtsspezifische Stellenausschreibungen verboten und bald darauf die "Frauensprache" mit dem Binnen-I in vielen öffentlichen Texten eingeführt. 1987 veröffentlichte dann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die "Linguistischen Empfehlungen zur sprachlichen Gleichbehandlung von Mann und Frau im öffentlichen Bereich".

"Frauen machen 52 Prozent der Menschheit aus; stellen wir uns einmal vor, von diesem Teil der Menschen ebenso viel zu hören, zu lesen, zu sehen und zu sprechen wie von dem anderen Teil - das wäre eine veränderte Welt". Diesem Zitat von Gesine Spieß kann ich mich nur anschließen, denn die Arbeit an der Schaffung von gerechten Verhältnissen muss zwangsläufig auch in der Sprache sicht- und hörbar werden.