Es war kein schlechtes Wochenende für die Verhandlungen, die der Westen nun eher zufällig parallel mit dem Iran und Nordkorea über die Domestizierung des Atomprogramms in beiden Ländern führt. Es war ein schlechtes Verhandlungsangebot, das der EU eine voraussehbar schnelle Absage aus Teheran gebracht hat, und die Hypothek einer lange verschleppten, schlechten Verhandlungsführung, die den USA eine leichte Einigung mit Pjöngjang unmöglich macht. Das letzte Wort ist in beiden Fällen noch nicht gesprochen, der Verlauf der Koreagespräche lässt trotz der Unterbrechung sogar einen gewissen Optimismus zu.

Über einen Leisten lassen sich die potenziellen oder imaginierten Bombenbauer in Teheran und Pjöngjang freilich nicht schlagen, denn nur vordergründig haben die Atomverhandlungen etwas gemeinsam. Beide Male geht es um die Frage, wo genau die Linie zwischen friedlicher und militärischer Nutzung der Atomtechnik zu ziehen ist. Beide Male auch mühen sich Europäer und Amerikaner mit dem Problem, wie sie fehlendes Vertrauen in ihre Gesprächspartner durch ein Labyrinth an Regeln ersetzen können, das von außen betrachtet harmlos aussieht, aber Iranern und Nordkoreanern praktisch keine Chance für eine andere Nutzung der Nukleartechnik lassen soll als zur Stromerzeugung.

Nun ist technisch betrachtet der Umgang mit der Atomenergie aber ein wenig mehr als allein die Erzeugung von Kilowattstunden für Fernseher und Kühlschrank: Mitgliedstaaten des Atomwaffensperrvertrags (NPT) haben ausdrücklich das Recht zur friedlichen Erforschung der Atomenergie. Der Iran ist immer noch ein Unterzeichnerstaat des NPT, Nordkorea hat sich aus dem Vertrag verabschiedet und die Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) aus dem Land gewiesen.

Entsprechend unterschiedlich müssten also die Angebote sein, die der Westen den beiden Staaten unterbreitet, und entsprechend wacklig ist auch die Drohung mit dem Gang vor den Sicherheitsrat. Was wollen Berlin, Paris und London dort dem Iran eigentlich vorwerfen? Dass er wieder eine Anlage in Betrieb nimmt, die von der IAEO überwacht wird, eben weil sie noch in die Zulässigkeit des Sperrvertrags fällt? Oder weil Teheran die IAEO vor Jahren täuschte, aber der Gouverneursrat das Eingeständnis und die Korrekturen der iranischen Regierung im November 2004 akzeptiert hatte?

Mit ungleich größerem Recht lässt sich dagegen der Fall Nordkorea vor den UN- Sicherheitsrat bringen. Das Datum, an dem die Sechs-Staaten-Verhandlungen wieder aufgenommen werden sollen - der 29. August -, ist deshalb nicht zufällig kurz vor Beginn der jährlichen Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York gewählt. Scheitern die Verhandlungen tatsächlich, könnte der Atomstreit sofort in das UNO-Forum gehen.

Dass es nicht dazu kommt und Pjöngjang, wenn auch zögernd, einen Fahrplan für die nukleare Abrüstung akzeptiert, dafür gibt es berechtigte Hoffnung. Der Druck, den China in den verbleibenden drei Wochen auf seinen Nachbarn machen wird, die Lockangebote, die Südkorea auftischen wird, könnten Kim Jong-il zum Einlenken bewegen. Der wichtigste Faktor in diesem Moment ist aber Washingtons neuer Umgang mit Nordkorea.

George W. Bush, der die "Achse des Bösen" in den Keller verräumt hat und über Nordkoreas Führer neuerdings als "Mister Kim" spricht und nicht mehr als dem "Zwerg", der sein Volk verhungern lasse, hat nach vier Jahren Denkpause in der Koreafrage zum ersten Mal substanzielle Verhandlungen führen lassen. Sein neuer Unterhändler Christopher Hill konnte so lange am Tisch in Peking bleiben, wie es ihm nützlich erschien; Hill hatte auch freie Hand für bilaterale Treffen mit seinem nordkoreanischen Gegenüber. Auf diese Weise haben die USA die Sechs- Staaten-Gespräche von einem Format der Schwäche zu einem Instrument der Stärke gemacht. (DER STANDARD, Printausgabe, 8.8.2005)