Polster/Cerny/Herzog lassen Teamchef Prohaska nach der Quali für die WM 1998 hochleben.

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Standard: Für etliche Männer ist der 50er eine Zäsur. Haben Sie ein Problem damit? Allein die Herausgabe einer Biografie sagt doch einiges aus, oder? Prohaska: Es ist keine Biografie, es sind Geschichten, positive wie negative. Mit dem Alter habe ich überhaupt kein Problem, weil es nicht zu ändern ist. Ich versuche, mich nicht wie 50 zu fühlen.

STANDARD: Sie arbeiten als Chefanalytiker des ORF. Machen Sie das bis zur Pension?
Prohaska: Ich plane die Zukunft nicht, 1983 habe ich damit aufgehört. Ich wollte eigentlich noch ein Jahr in Rom spielen, plötzlich war ich zurück in Österreich. Ich wollte nie Trainer werden, schon war ich Sportdirektor bei der Austria, und vier Monate später saß ich auf der Bank. Und ich wollte nie Teamchef werden. Jetzt bin ich zufrieden beim ORF und als Schirmherr der Red Zac Liga. Mir gefällt der Lebensrhythmus, ich muss mir nicht den Kopf über Aufstellungen und Systeme zerbrechen. Ich schlafe heute besser, die Lebensqualität ist gestiegen, ich sehe mein Enkelkind häufiger, als ich früher meine Töchter gesehen habe. Nach wie vor wäre mir der Trainerjob der liebste, aber nicht unter den Gegebenheiten, die heute herrschen.

STANDARD: Welche Gegebenheiten meinen Sie?
Prohaska: Das Störende ist, dass in den letzten zehn Jahren die Position des Trainers schwächer geworden ist. Du bist abhängig von Spielermanagern und von Kickern, die in ein Gehaltsschema gekommen sind, bei dem es schwierig ist, den Charakter zu bewahren. Macht ein Spieler, was er will, kann es sein, dass der Präsident sagt, du darfst ihn nicht rauswerfen, weil er dann kostenlos frei wäre. Die gewachsenen, gestandenen Fußballfunktionäre sind fast ausgestorben. Heute haben Geschäftsleute das Sagen, die zwar mehr in den Fußball investieren, aber wesentlich weniger davon verstehen.

STANDARD: Die Meisterschaft ist spannend, nach Stronach ist Dietrich Mateschitz eingestiegen. Wird Österreich am Ende Teil der großen Fußballwelt?
Prohaska: Es geht nicht alles von allein, auch nicht mit Geld. Man braucht einen guten Trainer, nicht alle sechs Monate einen anderen, das funktioniert nicht. In Salzburg wird man mit dem Kurt Jara viel mehr Geduld haben.

STANDARD: Verstehen Sie das Bangen der Fans um traditionelle Werte?
Prohaska: Ich verstehe die Anhänger in Salzburg, die ihre Mannschaft in den traditionellen Klubfarben, also in Violett, sehen wollen. Traditionsklubs auf der ganzen Welt würden nie ihre Farben wechseln und ihre Identität aus der Hand geben. Auf der anderen Seite muss man aber auch verlangen, dass sich die Fans Gedanken darüber machen, was passiert wäre, wäre Red Bull nicht eingestiegen. Der Rudi Quehenberger hätte das nicht mehr gepackt.

STANDARD: Und wo steht die Austria unter Stöger und Schinkels heute?
Prohaska: Bei der Austria wird sich so lange nichts beruhigen, solange sich Frank Stronach nicht ändert, und das macht er nicht, das hat der Fall Toni Polster klar bewiesen.

STANDARD: Hat es Sie gefreut, dass Rapid, ein Klub, der auf Tradition und Identität großen Wert legt, Meister geworden ist?
Prohaska: Gefreut wäre falsch, dazu war ich zu lange beim Erzrivalen. Gegönnt habe ich es Rapid sehr wohl.

STANDARD: Haben Sie zu Stronach heute irgendeinen Bezug, oder ist das ein Nullverhältnis?
Prohaska: Er ist ja kaum da. Mich ärgert als Austrianer nur, dass er es mit diesem enormen Geldeinsatz nicht zulässt, dass die Lorbeeren geerntet werden. Er wäre am liebsten gleichzeitig Präsident, Sportdirektor, Trainer und der beste Spieler.

STANDARD: Was hat Sie mehr geschmerzt? Das 0:4 als Spieler im Cupsiegercupfinale gegen Anderlecht oder das 0:9 als Teamchef in Valencia?
Prohaska: Das verlorene Finale zehnmal mehr, was leicht zu erklären ist. Mit dem 0:9 war ja die Chance in der WM-Qualifikation nicht vertan. Natürlich war's in dieser Höhe ein Wahnsinn, und ich hab mich geniert, aber es war nichts wirklich verloren, außer mein Job halt. Das Europacupfinale war ein absoluter Höhepunkt, die Enttäuschung war dann umso größer.

STANDARD: Sie waren noch ein Jahr Austria-Trainer, dann wurden Sie von Stronach gefeuert. Wieso haben Sie damit Ihre Trainerkarriere beendet?
Prohaska: Jeder hat geglaubt, ich war böse auf Stronach. Aber ich war enttäuscht, weil ich unter anderen Voraussetzung angetreten bin. Klubchef Rudolf Streicher hat meine Pläne unterstützt, wir wollten zwei Jahre lang Schritt für Schritt vorgehen. Im Winter wurde der Klub dann an Stronach übergeben, und die Probleme sind gekommen.

STANDARD: Es heißt oft in der Öffentlichkeit, Sie ecken zu wenig an, sind zu weich. Vielleicht ist's ja eine Qualität und Bedingung für den ORF-Job . . .
Prohaska: Ich hab kein Problem, mit jemandem anzuecken, aber ich suche das nicht. Um einen Streit auszutragen, brauche ich nicht die Öffentlichkeit. In meiner Biografie beschreibt es der Andi Ogris am besten, der sagt, dass jemand, der mich als weich bezeichnet, keine Ahnung hat.

STANDARD: Viele Fußballgrößen sind dem Fußball nach wie vor verbunden, Krankl, Schachner, Polster, Jara, Sie. Macht es Dinge schwieriger, wenn man ein guter Fußballer war, oder öffnet es Türen?
Prohaska: Wenn man ein erfolgreicher Fußballer war, ist der Start als Trainer viel leichter, weil die Spieler den Respekt haben, weil man weiß, wovon man redet. Aber man muss an sich arbeiten, ein Trainingsprogramm haben, eine Ausbildung machen, sich taktisch auskennen. Faktoren wie Menschenführung kommen dazu. Und man braucht Glück - die Titel, die ich gewonnen habe, kann ich richtig einschätzen.

STANDARD: Hat der Österreicher eine vernünftige Beziehung zu seinen Helden?
Prohaska: Ich habe mich als Sportler und als Trainer fast immer wohl gefühlt. Nur nach dem 0:9 in Spanien hatte ich den Eindruck, dass niemand an mir anstreifen wollte, und das Gefühl, allein verloren zu haben. Der Hickersberger hat 0:1 gegen die Färöer verloren, aber keiner kann sich mehr an die Spieler erinnern, die dabei waren.

STANDARD: Wie politisch ist Herbert Prohaska?
Prohaska: Manchmal wird man ausgenutzt, und mit meinem ORF-Job kann ich es mir ohnehin nicht leisten, dass ich mich in eine Richtung äußere. Ich will das privat halten.

STANDARD: Aber man kann sagen, dass Sie ein Arbeiterkind geblieben sind?
Prohaska: Ja.

STANDARD: Behalten Fußballer eher ihre Wurzeln als andere?
Prohaska: Ja. Ich weiß das von vielen Fußballern. Klar sagen Leute zu mir, ich habe leicht reden, ich verdiene ja genug. Dann nehme ich mir das Recht zu sagen, dass ich weiß, woher ich komme. Wir haben weder einen Fernseher noch ein Auto besessen, ich habe nie ein Moped gehabt. Mein Vater war Hilfsarbeiter, meine Mutter hat in einer Spinnerei gearbeitet, später als Bedienerin. Der Großvater hat seine Rente hergegeben. Urlaub gab es keinen. Mir ist aber nichts abgegangen, meine Kindheit war superglücklich.

STANDARD: Klingt fast nach der Tellerwäscher-Geschichte.
Prohaska: Der da oben hat auf mich runtergeschaut und mir das in die Füße gegeben, mit dem ich heute noch mein Geld verdiene. Aber ich bin deshalb kein anderer geworden.

STANDARD: Finden Sie Ihre Imitation auf Ö3, den Dr. Schneckerl, lustig?
Prohaska: Ich kann darüber lachen. Wird man imitiert, gehört man zu denen, die was erreicht haben. Siehe Lauda, Polster, Krankl. Auch ich bin einer, der andere gerne verarscht. Deshalb wäre es arg, wenn ich darüber böse wäre.

STANDARD: Ist ein Rapid-Trainer Prohaska vorstellbar?
Prohaska: Nein. Passt nicht.

STANDARD: Wer wird Meister? Prohaska (zögert): Die Austria. (DER STANDARD, Printausgabe, Montag, 8. August 2005, Christian Hackl und Fritz Neumann)