Forschung & Geschlecht
Uta Klein: Das Ziel ist Geschlechterdemokratie
Soziologin aus Münster ist neue Gastprofessorin in Graz
Graz - Frauen- und Geschlechterforschung ist in Österreich trotz aller Bemühungen
von Frauen noch immer unterrepräsentiert. Und wo es sie gibt, muss sie sich oft am
Rande des etablierten Wissenschaftsbetriebes mit Hilfe von freien Lektorinnen durchschlagen.
Auch in Graz kann Frau (oder Mann) Frauenforschung nicht als Vollstudium, sondern
nur als Quasi-Nebenfach betreiben. Immerhin - ein Anfang ist gemacht: Vor einem Jahr
haben alle drei Grazer Universitäten auf Initiative der Koordinationsstelle für Frauen-
und Geschlechterforschung gemeinsam die Aigner-Rollett-Gastprofessur - Oktavia Aigner-Rollett
war die erste praktizierende Ärztin in Graz - eingerichtet, die semesterweise im wesentlichen
von Stadt und Land finanziert wird. “Wir wollten”, so Barbara Hey von der Koordinationsstelle,
“einerseits das Lehrangebot erweitern, andererseits Lehrenden und Studierenden Kontakte
mit international anerkannten Expertinnen ermöglichen.”
Nach Anna Bergmann (Humboldt Universität Berlin) hat nun Uta Klein, habilitierte
Soziologin und Hochschuldozentin am Institut für Soziologie der Uni Münster, den Lehrstuhl
übernommen. Ihre Themen: “Gleichstellungspolitik in der EU”, “Das Geschlechterverhältnis
und die Soziologie” sowie “Diskurse über Gleichheit und Differenz der Geschlechter
in Geschichte und Gegenwart”.
Und wie sieht Gastprofessorin Klein die Geschlechterverhältnisse in unserer Gesellschaft?
“Ambivalent”, antwortet sie dem
Standard
, “ auf der einen Seite haben sich
die Optionen von Frauen vergrößert, und es gibt eine starke Gleichheitsrhetorik. Auf
der anderen Seite zeigen sich starke Beharrungstendenzen für ein traditionelles Geschlechterverhältnis, Rückschläge und Unsicherheiten.”
Frauen in EU haben höhere Bildungsabschlüsse als Männer
Auf jeden Fall bestehe in der Geschlechterforschung unterschiedlicher Disziplinen
Einigkeit darin, daß die Geschlechtszugehörigkeit über den Zugang zu Ressourcen, über
Lebenschancen und gesellschaftliche Positionen entscheidet. So verfügen etwa Frauen
in fast allen EU-Ländern über höhere Bildungsabschlüsse als Männer, verdienen im Durchschnitt aber um 25 Prozent weniger.
Auch die kritische Männerforschung kann dazu beitragen, die ungleiche Machtverteilung zwischen den Geschlechtern zu verändern.
“Während eine sogenannte makrosoziologische Sicht beispielsweise untersucht, wie
sich die Ungleichheit ökonomisch und weltgesellschaftlich niederschlägt, konzentrieren
sich mikrosoziologische Studien auf Interaktionen im Alltag”, erläutert Uta Klein,
“wie stellen wir Geschlecht tagtäglich her?” An diesem Prozeß sind alle beteiligt,
und er verläuft weitgehend unbemerkt. Die Soziologin bevorzugt Ansätze, die beides
verbinden: “Es ist wichtig, die Inszenierung von Geschlecht zu verstehen, aber ich
muss zugleich die strukturelle Dimension berücksichtigen.” Geschlechterforschung versteht
sich dabei als kritische Wissenschaft und will die ungleiche Machtverteilung zwischen
den Geschlechtern verändern.
Dazu kann auch, ist Klein überzeugt, die sich zunehmend im deutschen Sprachraum etablierende
Kritische Männerforschung beitragen. Hier werden Männlichkeitsvorstellungen, männliche
Macht, Männerbünde untersucht. “Kritische Männerforschung deswegen, weil auch hier
Vorstellungen einer Geschlechterdemokratie im Vordergrund stehen und nicht, wie in
manchen Männerbewegungen, irgendeine dubiose Suche nach ‚männlichen Wurzeln'.”
Wie das Militär Männerbilder erzeugt
Einer der Schwerpunkte von Uta Klein, zu denen sie in internationalen Zusammenschlüssen
arbeitet, sind Forschungen zu Militär und Geschlecht, etwa zu der Frage, wie das Militär
Männlichkeitsbilder erzeugt. Ihre Habilitation behandelt das Verhältnis zwischen Militär
und Zivilsphäre in Israel und wie unterschiedlich es sich auf Männer und Frauen in
der Gesellschaft auswirkt. Klein war in Israel Gastdozentin an der Hebräischen Universität
in Jerusalem und Fellow am Van-Leer-Institut.
In Graz, so Klein, sei sie vom Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, in
dem sie lehrt, herzlich empfangen worden. Es erstaune sie jedoch, daß offenbar das
Institut für Soziologie kein Interesse an der Gastprofessur hatte.
Heide Korn