Hunger, Kälte, Finsternis: Einen Tag nach ihrer spektakulären Rettung aus dem verunglückten russischen U-Boot hat die Besatzung von ihrer dreitägigen Gefangenschaft in den Tiefen des Pazifiks berichtet. "Wir wussten, dass wir festsaßen, und haben uns hingelegt und gewartet", erzählte Besatzungsmitglied Gennadi Bolonin am Montag in Petropawlowsk-Kamtschatski.

"Wir hatten wenig Wasser, und es gab Sauerstoffprobleme", sagte der Erste Maat Alexander Uibin. In ihrem engen Gefängnis in 190 Metern Tiefe legten sich die Seeleute in absoluter Finsternis hin, um Kräfte zu sparen und den Sauerstoffverbrauch zu senken.

Fünf Grad Celsius

Mit einigen Keksen und zwei bis drei Schluck Wasser pro Tag versuchten die Männer, sich notdürftig zu stärken, wie aus ihren Berichten hervorgeht. Sie hüllten sich in Thermokleidung, um sich gegen die Kälte zu schützen. Nur fünf Grad Celsius betrug die Temperatur an Bord des kleinen U-Boots. Gut 75 Stunden verbrachten sie so in der bangen Hoffnung auf Rettung. Vor ihrem Presseauftritt waren die Seeleute ärztlich untersucht worden. Einige wurden an den Tropf gelegt, weil sie zu wenig Hämoglobin im Blut hatten. Verteidigungsminister Sergej Iwanow spendierte ihnen bei einem Besuch im Krankenhaus einen Kurzurlaub in einem Sanatorium auf Staatskosten.

Bei einer Zeremonie auf dem Stützpunkt der russischen Flotte auf der Halbinsel Kamtschatka im Fernen Osten Russlands überreichte Iwanow den britischen Rettern des U-Boots russische Marine-Uhren. Außerdem schlug er vor, dem britischen Fregattenkapitän Ian Riches und seinen Tauchroboterspezialisten den gleichen Orden zu verleihen wie der russischen U-Boot-Besatzung. Der Verteidigungsminister gab zudem die Bildung einer Untersuchungskommission bekannt, um zu klären, wie es zu der Havarie des Mini-U-Boots kommen konnte. Die russische Regierung muss sich des Vorwurfs erwehren, sie habe nichts aus der "Kursk"-Katastrophe vor fünf Jahren gelernt.

"Neuer Schlag für Ruf der russischen Flotte"

Die liberale "Gaseta" schrieb, das Rettungssystem der russischen Marine funktioniere "praktisch nicht". Die "Iswestija" nannte das Unglück "einen neuen Schlag für den Ruf der russischen Flotte". Trotz bedeutender Investitionen habe sich der Zustand der Rettungskräfte nicht nennenswert verbessert. Beim Untergang des U-Boots "Kursk" kamen vor fünf Jahren alle 118 Matrosen an Bord ums Leben. Damals zögerte der russische Präsident Wladimir Putin zu lange, bis er das Ausland um Hilfe bat.

Iwanow räumte ein, dass im Fall des Mini-U-Bootes der Wettlauf mit der Zeit nur mit ausländischer Hilfe gewonnen werden konnte. "Theoretisch" hätte Russland das U-Boot zwar selbst retten können, weil die Flotte über eine ähnliche Rettungstechnik verfüge. Die in Wladiwostok gelagerte Ausrüstung könne jedoch nicht auf dem Luftweg transportiert werden. Deshalb hätte sie frühestens Dienstag am Unglücksort eintreffen können. Als die U-Boot-Besatzung am Sonntag gerettet wurde, habe sie aber nur noch Sauerstoff für 24 Stunden gehabt, sagte Iwanow.

Als Konsequenz aus dem russischen U-Boot-Unglück vor der Kamtschatka-Halbinsel muss Marinekommandeur Admiral Wladimir Kurojedow gehen. "Wegen der schlechten Gesundheit des Kommandeurs und der jüngsten Ereignisse in der Flotte" sei mit einer Verlängerung von Kurojedows Vertrag nicht zu rechnen, sagte ein Vertreter des Verteidigungsministeriums am Montag in Moskau der Agentur Interfax. (APA/AFP/dpa)