In diesen Tage wird viel
über die Marketingpraktiken der Pharmafirmen geschrieben, wenig bis gar
nichts aber über die vermarkteten Produkte selbst. – Würde
sich allerdings gesundheitspolitisch im wahrsten Sinn
des Wortes "auszahlen":
Unter den Arzneimitteln
wird zwischen Wirkstoffen
unterschieden, die ein gänzlich neues Wirkprinzip begründen und solchen, die nur
eine chemische Variation darstellen. Letztere werden in der
wissenschaftlichen Literatur
als "Analogpräparate", in der
Sprache kritischer pharmakologischer Medien als "Me-Too-
Präparate" oder Scheininnovationen bezeichnet.
Eckdaten
Und gerade für dieses
Marktsegment ist der Marketingaufwand der Pharmaindustrie besonders hoch. Ein
paar Eckdaten: Nur 22
Prozent
des Pharmapersonals arbeiten
in der Forschung, 40 Prozent
im Marketing; 34 bis 43 Prozent des Umsatzes werden in
Marketing investiert – wobei
allein der den Analogpräparaten gewidmete Anteil deutlich
über den Gesamtaufwendungen für Forschung und Entwicklung liegt.
Die Wirkung bei der Zielgruppe bleibt nicht aus: Dass
die Ärzteschaft nachhaltig
überzeugt ist, ständig nicht
nur mit neuen, sondern auch
immer innovativeren Produkten beliefert zu werden und jeweils auf dem letzten Stand
der wissenschaftlich-medizinischen Entwicklungen zu
therapieren, ist vielfach belegt. Weshalb der Widerstand
gegen – gesundheitspolitisch
sinnvolle – Reduktionen der
Produktpalette auch entsprechend groß ist. In Deutschland
ist darüber gerade eine heftige
Diskussion im Gang.
Einsparungspotenzial
Wie gering der Anteil der
tatsächlich innovativen Arzneimittel ist, zeigen folgende
Zahlen: 2003 wurden 463 Fertigarzneimittel neu zugelassen. Nur 17 davon beinhalten
auch neue Wirkstoffe. Innovativ in therapeutisch relevantem Sinn waren nur sieben
(1,5 Prozent). In Österreich
wurden beispielsweise vor Kurzem verschiedene Röntgenkontrastmittel auf die "klinische Relevanz ihrer Unterschiede" hin wissenschaftlich
untersucht. Ergebnis: keine
relevanten Unterschiede bei
Unverträglichkeiten/Nebenwirkungen und Bildqualität/
Kontrastgebung. Tatsächlich
sind in österreichischen Kliniken bis zu acht verschiedene
"analoge" Röntgenkontrastmittel in Verwendung, das
Einsparungspotenzial bei entsprechender Straffung der
Produktpalette wäre erheblich. (Deutsche Kliniken
arbeiten längst nur mehr mit
2–3 unterschiedlichen Röntgenkontrastmitteln.) Auch andere Produktgruppen (Antihypertensiva etc.) werden sich
verstärkt diesem Vergleichsprozess stellen müssen. Fragt
sich nur, warum unsere Politik bisher so verhalten auf diese Entwicklungen reagiert ... (DER STANDARD; Printausgabe, 9.8.2005)