Betrifft: Gastkommentar von Hans Weiss über die Praktiken der Pharmaindustrie", STANDARD, 30. 7. 2005

Warum sich um hehre Grundsätze scheren, wird sich Herr Weiss wohl denken, wenn er in haarsträubenden "eigenen Berechnungen" wilde Schlussfolgerungen zieht, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu erwecken; auf welche Grundlagen der mundflotte Journalist seine Kalkulationen stellt, welche Statistiken und Zahlen er dafür heranzieht, verschweigt er. Er wird schon wissen, wieso.

Ein Beispiel seiner schlichten Rechenkünste liefert Herr Weiss in seinem Kommentar im STANDARD. Dieser steht im Zusammenhang mit den legalen Naturalrabatten, die Hausapotheken führende Landärzte beim Medikamenteneinkauf als faktische Preisreduktion erzielen. Wovon sie im Übrigen 12,6 Prozent an die Krankenkassen zwangsweise weitergeben. Auf die vom Gesundheitsministerium geplanten legistischen Regelungen über die ärztliche Geschenkannahme anspielend, spekuliert er in generalisierender Polemik, dass 35.000 österreichische Ärztinnen und Ärzte Empfänger großzügiger Gaben in der Höhe von insgesamt 262 Millionen Euro im Jahr sein könnten.

Dass Naturalrabatte allerdings nur Ärzte, die zur Medikamentenabgabe berechtigt sind - die 957 Hausapotheker also -, betreffen, ist dem Mini-Einstein wurscht. Weiters behauptet Herr Weiss, dass Hausapotheken führende Ärzte im Schnitt etwa 40 % mehr Medikamente als andere Ärzte verschreiben. Selbstverständlich zieht er für diese Schlussfolgerung wieder die nicht nachvollziehbaren Regeln des selbst gestrickten Einmaleins heran. Fakten? Nebensächlich. Tatsache ist, dass Hausapotheker mit 16,98 Euro pro Verordnung um zwölf Prozent (19,23 Euro) unter den Verschreibekosten anderer niedergelassener Ärzte liegen, pro Rezept sogar um 17 Prozent (30,58 gegenüber 37,06 Euro). Daraus lassen sich bei den Hausapothekern Medikamentenkosten pro Krankheitsfall von 57,13 Euro ableiten. Und das ist immerhin um 25 Prozent günstiger als bei anderen Verschreibern.

Zurückzuführen sind diese Tatsachen auf den hohen Einsatz von wirkstoffgleichen, billigeren Nachahmermedikamenten. Was im Übrigen auch deklariertes Ziel der Gesundheitspolitik ist. Und wenn billigere Generika als teurere Originalarzneimittel verwendet werden, ist auch die Qualität der medizinischen Versorgung gesichert. Diese Vorgehensweise entspricht der Intention der Gesundheitspolitik und den Sparzielen der Sozialversicherungen. Das Buch "Bittere Pillen" wird sich vermutlich gut verkaufen. Das ist wohl auch mit die Absicht der investigativen Verirrungen und realitätsunterwandernden Thesen des Herrn Weiss. Mit Redlichkeit hat das wohl nichts mehr zu tun.

Dr. Josef Lohninger Hausapothekenreferent der Österr. Ärztekammer

Herr Weiss vergleicht bei seinen Preiskalkulationen der Pharmafirmen Äpfel mit Birnen, wenn er den Verkaufspreis von Viagra, das ihn offensichtlich sehr beschäftigt, mit den Kosten des Wirkstoffs vergleicht. Man muss nur wenigen Menschen erklären, dass nur ein Bruchteil aller Forschungsprojekte von Erfolg gekrönt sind, deren Umsetzung über Anwendungsstudien bis zur gesetzlichen Zulassung, der Herstellung, Qualitätskontrolle, Vertrieb etc. auch viel Geld kosten.

Der Vorwurf gegen Ärzte mit Hausapotheke relativiert sich ohnehin, wenn man weiß, wie wenige es überhaupt noch gibt. Diese Ordinationen in Randgebieten sind ohne Hausapotheke meist gar nicht überlebensfähig. Mit den Medikamentengeschenken, die gesetzlich geregelt nur bei Neueinführung großzügiger gehandhabt werden, helfen wir 95 % Ärzte ohne Hausapotheke den Krankenkassen Geld zu sparen, weil diese Medikamente ja zur Freude der Patienten gratis abgegeben werden - natürlich mit dem legalen Hintergedanken der Hersteller, durch Dauermedikationen später Renditen zu machen.

Aus welchem Finger saugt sich Herr Weiss seine Berechnungen, wonach Hausapotheken führende Ärzte um 40 Prozent teurer verschreiben als ihre Kollegen? Er hat keine Ahnung vom Druck seitens der Kassen, wenn wir den Verschreibungsdurchschnitt nur um wenige Prozentpunkte überschreiten.

Bezüglich seiner Recherchen um unseren Wirtschaftsminister hat Herr Weiss großzügig übersehen, dass Österreichs größte Generikafirma Genericon im Familienbesitz Bartenstein ist. Wieso hinterfragt er nicht die Entscheidungskonflikte des Ministers, wenn dieser Gesetze und Reformen mit betreibt, die uns Ärzte zur Verschreibung von Generica drängen, obwohl oft bei gleichem Wirkstoffinhalt die Verträglichkeit deutlich schlechter ist?

In einem Punkt hat Herr Weiss allerdings Recht: Sein Vorwurf, dass Ärzte nicht immer das beste Medikament verschreiben, ist absolut richtig. Nur haben wir das der letzten Gesundheitsreform Frau Rauch-Kallats zu verdanken, die uns nicht mehr berechtigt, immer das beste (und oft teuerste) Medikament zu verschreiben, obwohl dadurch schwer wiegenden Erkrankungen vorzubeugen wäre.

Dr. Hans Weigensamer Arzt für Allgemeinmedizin ohne Hausapotheke, Himberg

(DER STANDARD; Printausgabe, 9.8.2005)