Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: APA/Hans Klaus Techt
Die Presse: Anna Netrebko gibt's gar nicht

"Gediegenes Mittelmaß tönt jedenfalls aus dem Orchestergraben, in dem Carlo Rizzi ein Orchester befehligt, von dem man kaum glauben möchte, dass es sich dabei um die berühmten Wiener Philharmoniker handelt. [...]

Dass 'La Traviata' auch ein von feinsinnigen kompositorischen Charakterisierungskünsten und psychologischen Nuancen beseeltes musikalisches Drama ist, bleibt in einer dieserart repertoiremäßig tönenden Festspielpremiere gänzlich ausgespart. [...]

Der Tenor Villazóns [...] bewegt nicht nur in den dramatischen Passagen der Rolle, [...] er verfügt auch über die Agilität, die nötig ist, die jauchzenden, ja euphorischen Liebes-Musiken in ihrer freudigen Bewegtheit lebendig zu gestalten. Villazóns Gesang bleibt dabei recht penibel auf Verdis Noten konzentriert, was von den Darbietungen seiner Partnerin Anna Netrebko nicht behauptet werden darf [...]

Im Übrigen ist die Produktion völlig auf die zirkusreife Beweglichkeit von Netrebko und Villazón zugeschnitten. [...] Das ist, zugegeben, eine neue Operngeneration, mit der man auch Filme drehen kann. [...]"

Salzburger Nachrichten: Wenn die Kamelie verblüht

"Rizzi gab einen ordentlichen Kapellmeister ab, ohne viel erkennbaren Sinn für den weit gespannten, gerade in diesem Stück so psychologisch modernen Differenzierungsbogen, den Verdis Musik aufs Diffizilste spannt. Die Wiener Philharmoniker spielten nicht wirklich groß, vielmehr großflächig, kompakt, ohne nennenswerte Raffinesse. [...]

Mit solchen wunderbar schlichten, klaren, völlig unprätentiösen und vor allem unsentimentalen Zeichen arbeitet Willy Deckers Regie, die ein phänomenaler Wurf ist. [...]

Anna Netrebko hat eine einzigartige Stimme, von goldener Leuchtkraft, von samtiger Süße, von lyrischer Jugendlichkeit. [...]

Wie bei Netrebko kommt auch bei ihm das Spiel aus der Musik, aus der gesanglichen Linie und erreicht einen Grad an Direktheit und Intensität, dass man vergisst, eigentlich in der "Oper" zu sitzen. Das ist nicht Kunst. Das ist das Leben."

NZZ: Kein Star, dafür eine Entdeckung

"Ihre nachdenkliche Szene am Ende des Akts gelingt ihr geschmeidig und ohne jede Schärfe. Dass sie auf die Spitzentöne verzichtet, die sich hier in die Partitur eingeschlichen haben, ehrt sie; noch überzeugender wäre, wenn sie auch auf der Aufhebung des ebenfalls üblichen, aber unverständlichen Strichs bestände. Der weitere Verlauf zeigt dann aber, dass Anna Netrebko die Figur wohl doch noch nicht ganz erfüllt. Das stürmische Liebesglück mit Alfredo packt, weil Rolando Villazón mit seinem prächtigen, diskret fundierten Tenor funkelnde Wirkung einbringt, aber auch für darstellerische Intensität sorgt. [...]

'La Traviata' ist und bleibt eine Sängeroper, in Salzburg erfüllt es sich auf hohem Niveau. Das heisst aber nicht, dass die instrumentale Seite so blass bleiben muss, wie es hier der Fall ist. Der Dirigent Carlo Rizzi, der an die Stelle des verstorbenen Marcello Viotti getreten ist, führt die Wiener Philharmoniker mit grundsolidem Handwerk an, zeigt sich aber unberührt von interpretatorischen Weiterungen, wie sie Arturo Toscanini oder Carlos Kleiber erschlossen haben; so bleibt die rhythmische Kontur mild und werden die Lyrismen in gewohnter Manier ausgebadet."

FAZ: Der schöne Tod

"Anna Netrebko mit ihrem unverwechselbar dunklen, gutturalen Timbre ist zwar nicht gerade ein belkantischer Koloratursopran, wie für die Partie der Violetta erforderlich, doch trifft sie ohne weiteres alle Töne [...] Darstellerisch überzeugt sie am stärksten, wo sie sich selbst spielen kann [...]: Da turnt ein fröhliches Girlie kichernd über die Sofakante[...]."

Rolando Villazon "bringt Farbe ins Stück mit seinem unerhört biegsamen, beweglichen, glanzvollen und wandlungsfähigen Belkanto-Organ, dem er die ganze Palette der Ausdruckswerte abverlangen kann, von der lyrischen Ekstase bis zum heldischen Metallglanz. [...]

Die Wiener Philharmoniker spielten ohne Schwung und Glanz, und vor allem nicht auf dem Niveau der Sängercrew. So geriet die matte Begleitmusik aus dem Graben ein ums andere Mal in ein Mißverhältnis zu dem Feuer, das auf der Bühne loderte."

Die Welt: Alles über Anna

"Auf der Cinemascope-Bühne ist es sehr kalt. Und sehr kahl. Wolfgang Gussmann hat kein Plüsch-Boudoir für eine Kuschel-Kurtisane entworfen, sondern zeitlos-zeichenhaft den Eiskasten eines käuflichen Fräuleins im Verdi-Kühlschrank. [...]

Opernwunder gibt es immer wieder. Im genußsüchtigen Salzburg liebt man sie besonders. Es war kein leichter Sieg für diese außergewöhnliche, außergewöhnlich gehypte Sängerin. [...] "

Rolando Villazón, "ein wundervoller Tenor-Hysteriker, begnadet und gefährdet. Der etwas zu volltourig läuft, fast platzt vor vokaler Energie, ein Singduell sich steigernder Emotionen liefert. [...]

Ein großer Opernabend. Gewidmet dem verstorbenen Dirigenten Marcello Viotti. Carlo Rizzi ersetzt ihn nicht. Wiegt sich in liebloser Um-Ta-Ta-Routine, durchbrochen von den Dum-Dum-Geschossen konfuser Tempi. Die schlecht geführten Wiener Philharmoniker mogeln mit Anstand."

Berliner Tagesspiegel: Liebe ist auch nur ein Sport

"Anna Netrebko und Rolando Villazon, das neue 'Traumpaar der Oper', darf sich in pittoresker Liebesgymnastik üben. Rauf aufs Sofa und wieder runter, Stöckelschuh aus, Kleid übern Kopf, Kunstblume zwischen die Zähne, Bein gespreizt, Champagnerflasche an den Hals. Eine Inszenierung wie aus dem 'Traviata'-Katalog, leer und geheimnislos. [...]

Nur Jahrmarkt, nur Dschingdarassabumm ist es allerdings auch nicht. Solchen Sound nämlich produzieren an diesem Abend die Wiener Philharmoniker unter der Stabführung von Carlo Rizzi. Lärmiger, krachlederner, monochromer, ja dümmer hat man diese Musik selten gehört.[...]

Anna Netrebko sieht zwar nett aus in ihrem roten Kleidchen, und es ist wirklich staunenswert, in welchen möglichen und unmöglichen Positionen sie zudem immer auch noch sehr nett singt: Violetta Valéry jedoch, die Arme, Schwindsüchtige, Jenseitige, Lebenswütige findet hier nicht statt."

Kurier: Nur ein Hauch vom Wunder entfernt

"Das hat es auch in Salzburg schon lange nicht mehr gegeben: Das Publikum im Großen Festspielhaus spendete nicht enden wollende Standing Ovations, der ORF durfte sich bei einer Opern-Live-Übertragung [...]"

(red)