London - Der Mann heißt Abu Qatada. Er ist Jordanier. Er soll die Terroristen vom 11. September 2001 geistig inspiriert haben und gilt als "Osama Bin Ladens geistiger Botschafter in Europa". Seit Donnerstag sitzt er in Großbritannien mit neun weiteren Personen in Abschiebehaft. Die Behörden stufen sie als "Hassprediger" und "Gefahr für die öffentliche Sicherheit ein. Alle sollen in ihre Herkunftsländer zurückgebracht werden. Großbritannien hat eigene Abkommen mit den betreffenden Ländern geschlossen. Innenminister Charles Clarke erklärte am Donnerstag: "Nun haben wir genügend Zusicherungen, dass die Deportierten dort nicht gefoltert oder schlecht behandelt werden."

Einen Zusammenhang zwischen den Festnahmen und den Londoner Anschlägen vom 7. und 21. Juli stellten die Behörden nicht her. Allerdings hatte Premier Tony Blair jüngst gesagt, niemand dürfe daran zweifeln, dass sich nach den Anschlägen "die Spielregeln ändern" würden. Abu Qatada, der eigentlich Sheikh Omar Mahmud Abu Omar heißt, wurde in Jordanien in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt. Er wurde schuldig gesprochen, an der Planung mehrerer Anschläge beteiligt gewesen zu sein, und stand in Großbritannien unter Hausarrest.

Im Libanon wurde am Donnerstag auch Omar Bakri in Gewahrsam genommen. Der Prediger, der mehrfach Selbstmordattentate guthieß, war erst vor wenigen Tagen aus Großbritannien ausgereist. Der in Ägypten festgenommene Chemiker wurde unterdessen freigelassen. Der Mann stand unter dem Verdacht, die Sprengsätze für die erste Bombenwelle hergestellt zu haben.

An Großbritannien ausgeliefert - zumindest zeitweise - sollte indes der in Italien gefasste Hamdi Issac werden. Die italienischen Behörden überlegten eine kurzfristige Überstellung des Äthiopiers. Dieser hatte in Rom ausgesagt, er und die weiteren Attentäter der zweite Bombenwelle von London hätten nicht töten, sondern nur Angst und Schrecken verbreiten wollen: "Wir wollten einen großen Knall haben." Donnerstag wurden zudem Issacs Ehefrau sowie seine Schwägerin in London einvernommen, sie werden der Justizbehinderung beschuldigt.

Die Haft des militanten Islamisten Harun Rashid Aswat, dessen Auslieferung die USA beantragt haben, wurde unterdessen zunächst bis zum 8. September verlängert. Der 30-Jährige hat laut amerikanischen Ermittlern versucht, in Oregon ein Ausbildungslager für Terroristen aufzubauen. Aswat ist Brite und hat alle Anschuldigungen zurückgewiesen. Er kündigte eine Berufungsklage an, sollten die britischen Behörden seiner Auslieferung an die USA zustimmen. Aswat wurde am 20. Juli in Sambia festgenommen und am Sonntag nach Großbritannien gebracht.

In der Times veröffentlichte der wegen seines angeblich blasphemischen Buches "Satanische Verse" von radikalen Muslimen mit dem Tod bedrohte Autor Salman Rushdie einen Text unter dem Titel "Muslime, vereint euch! Eine neue Reformation wird euren Glauben in eine moderne Ära bringen". Darin kritisiert er die Traditionalisten im Islam, die keinerlei neue Interpretation des Koran zuließen. Offenheit sei mit Toleranz verbunden und ein Zeichen von Frieden. Sähen die Führer der islamischen Verbände die Notwendigkeit von Modernisierung ein, dann wären sie nicht mehr Teil des Problems, sondern Teil der Lösung. (DER STANDARD, Printausgabe, 12.8.2005)